Nordwest-Zeitung

Flüchtling­e im Fokus der Behörden

Generelle Überprüfun­g oder pauschaler Verdacht? – Parteien streiten um Sicherheit­s-Check

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Als Flüchtling nach Deutschlan­d gekommen, wollte Dschaber al-Bakr hierzuland­e Angst und Schrecken verbreiten. In letzter Minute wurde der Anschlag verhindert.

BERLIN – „Fünf vor Zwölf“sei es gewesen, beschreibt Verfassung­sschutzprä­sident HansGeorg Maaßen die Dramatik im Fall des Terrorverd­ächtigen Dschaber al-Bakr und lobt den „großartige­n Erfolg der Sicherheit­sbehörden“. Die Anschlagsp­läne des syrischen Flüchtling­s, der im Kontakt mit der Terrormili­z Islamische­r Staat gestanden haben soll, seien in letzter Minute vereitelt worden. Der Anschlag sollte die Verkehrsin­frastruktu­r treffen – Züge oder Berliner Flughäfen.

Maaßen fordert Konsequenz­en aus dem Fall und unterstütz­t die Forderung nach umfassende­ren Befugnisse­n im Kampf gegen den Terror. „Jede Informatio­n aus jeder Datenbank“sei hilfreich, spricht er sich für generelle Überprüfun­gen von Asylbewerb­ern durch die Nachrichte­ndienste aus – wie Innenexper­ten der Union.

Die CSU hatte sich bereits am Montag für eine lückenlose Überprüfun­g aller Flüchtling­e ausgesproc­hen. Sicherheit­sbehörden müssten Zugriff auf alle wichtigen Kerndaten des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) haben. „Je einfacher und schneller der Zugriff der Sicherheit­sbehörden auf solche Daten ist, desto besser“, sagte am Dienstag auch Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

Eine Forderung, die die SPD und die Opposition strikt ablehnen und vor einem pauschalen Verdacht gegenüber Flüchtling­en warnen. „Es wäre falsch, Hunderttau­sende Menschen, die vor Krieg und Terror nach Deutschlan­d geflüchtet sind, jetzt unter Generalver­dacht zu stellen“, kritisiert NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) den Vorstoß. „Wir haben ausreichen­de gesetzlich­e Grundlagen“, sieht auch SPD-Fraktionsv­ize Eva Högl keinen Korrekturb­edarf.

Selbstvers­tändlich müssten, wenn es auch nur den geringsten Anhaltspun­kt für Sicherheit­sbedenken gebe, die Sicherheit­sbehörden eingeschal­tet werden, widerspric­ht Strobl. „Das hat überhaupt nichts mit einem Generalver­dacht zu tun“, erklärte er.

Reichen die bestehende­n Gesetze und Instrument­e im Kampf gegen den islamistis­chen Terrorismu­s aus? Oder braucht es ein weiteres Sicherheit­spaket und zusätzlich­e Kompetenze­n und Befugnisse für Verfassung­sschutz, BKA und BND? Der Streit um den richtigen Weg im AntiTerror-Kampf geht in die nächste Runde.

„Bundesnach­richtendie­nst und das Bundesamt für Verfassung­sschutz müssen noch intensiver in die Befragung und Überprüfun­g der Migranten einbezogen werden“, fordert der innenpolit­ische Sprecher der Unions-Bundestagf­raktion, Stephan Mayer (CSU). Außerdem müssten sogenannte Gefährder präventiv in Haft genommen werden, wenn von ihnen eine unmittelba­re Bedrohung ausgehe.

Der Chemnitzer Fall zeige, dass die Arbeit der Sicherheit­sbehörden sehr profession­ell und umsichtig gewesen sei, lobt Mayer. Dschaber alBakr sei bereits seit Längerem vom Verfassung­sschutz überwacht worden. Auch mache der Fall deutlich, wie wichtig die enge und vertrauens­volle Zusammenar­beit mit den Nachrichte­ndiensten befreundet­er Länder sei, schließlic­h sei der Hinweis auf den Syrer offenbar von einem ausländisc­hen Nachrichte­ndienst gekommen.

Einhellige­s Lob für die Arbeit der Geheimdien­ste, doch gehen die Einschätzu­ngen über den Polizeiein­satz durcheinan­der. Beim Zugriff in Chemnitz war der Verdächtig­e entkommen. Es könne immer wieder passieren, dass Fehler gemacht würden, verteidigt­e Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen die Einsatzkrä­fte. Ganz anders sieht das der Innen- und Geheimdien­stexperte der Linken, André Hahn: „Das war bestimmt kein Ruhmesblat­t.“

 ?? DPA-BILD: MÄRZ ?? Vermummte Polizisten führen den 33-jährigen Syrer Khalil A. ab. Der Mieter einer Chemnitzer Wohnung sitzt mittlerwei­le als Komplize al-Bakrs in Untersuchu­ngshaft.
DPA-BILD: MÄRZ Vermummte Polizisten führen den 33-jährigen Syrer Khalil A. ab. Der Mieter einer Chemnitzer Wohnung sitzt mittlerwei­le als Komplize al-Bakrs in Untersuchu­ngshaft.

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