Flüchtlinge im Fokus der Behörden
Generelle Überprüfung oder pauschaler Verdacht? – Parteien streiten um Sicherheits-Check
Als Flüchtling nach Deutschland gekommen, wollte Dschaber al-Bakr hierzulande Angst und Schrecken verbreiten. In letzter Minute wurde der Anschlag verhindert.
BERLIN – „Fünf vor Zwölf“sei es gewesen, beschreibt Verfassungsschutzpräsident HansGeorg Maaßen die Dramatik im Fall des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr und lobt den „großartigen Erfolg der Sicherheitsbehörden“. Die Anschlagspläne des syrischen Flüchtlings, der im Kontakt mit der Terrormiliz Islamischer Staat gestanden haben soll, seien in letzter Minute vereitelt worden. Der Anschlag sollte die Verkehrsinfrastruktur treffen – Züge oder Berliner Flughäfen.
Maaßen fordert Konsequenzen aus dem Fall und unterstützt die Forderung nach umfassenderen Befugnissen im Kampf gegen den Terror. „Jede Information aus jeder Datenbank“sei hilfreich, spricht er sich für generelle Überprüfungen von Asylbewerbern durch die Nachrichtendienste aus – wie Innenexperten der Union.
Die CSU hatte sich bereits am Montag für eine lückenlose Überprüfung aller Flüchtlinge ausgesprochen. Sicherheitsbehörden müssten Zugriff auf alle wichtigen Kerndaten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben. „Je einfacher und schneller der Zugriff der Sicherheitsbehörden auf solche Daten ist, desto besser“, sagte am Dienstag auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Eine Forderung, die die SPD und die Opposition strikt ablehnen und vor einem pauschalen Verdacht gegenüber Flüchtlingen warnen. „Es wäre falsch, Hunderttausende Menschen, die vor Krieg und Terror nach Deutschland geflüchtet sind, jetzt unter Generalverdacht zu stellen“, kritisiert NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) den Vorstoß. „Wir haben ausreichende gesetzliche Grundlagen“, sieht auch SPD-Fraktionsvize Eva Högl keinen Korrekturbedarf.
Selbstverständlich müssten, wenn es auch nur den geringsten Anhaltspunkt für Sicherheitsbedenken gebe, die Sicherheitsbehörden eingeschaltet werden, widerspricht Strobl. „Das hat überhaupt nichts mit einem Generalverdacht zu tun“, erklärte er.
Reichen die bestehenden Gesetze und Instrumente im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus aus? Oder braucht es ein weiteres Sicherheitspaket und zusätzliche Kompetenzen und Befugnisse für Verfassungsschutz, BKA und BND? Der Streit um den richtigen Weg im AntiTerror-Kampf geht in die nächste Runde.
„Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz müssen noch intensiver in die Befragung und Überprüfung der Migranten einbezogen werden“, fordert der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagfraktion, Stephan Mayer (CSU). Außerdem müssten sogenannte Gefährder präventiv in Haft genommen werden, wenn von ihnen eine unmittelbare Bedrohung ausgehe.
Der Chemnitzer Fall zeige, dass die Arbeit der Sicherheitsbehörden sehr professionell und umsichtig gewesen sei, lobt Mayer. Dschaber alBakr sei bereits seit Längerem vom Verfassungsschutz überwacht worden. Auch mache der Fall deutlich, wie wichtig die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten befreundeter Länder sei, schließlich sei der Hinweis auf den Syrer offenbar von einem ausländischen Nachrichtendienst gekommen.
Einhelliges Lob für die Arbeit der Geheimdienste, doch gehen die Einschätzungen über den Polizeieinsatz durcheinander. Beim Zugriff in Chemnitz war der Verdächtige entkommen. Es könne immer wieder passieren, dass Fehler gemacht würden, verteidigte Verfassungsschutzpräsident Maaßen die Einsatzkräfte. Ganz anders sieht das der Innen- und Geheimdienstexperte der Linken, André Hahn: „Das war bestimmt kein Ruhmesblatt.“