Neue Sanktionen gegen Russland greifen nicht
FRAGE: Nach dem Abbruch der Verhandlungen über eine Waffenruhe für Syrien wollen Russland und die Vereinigten Staaten ihre direkten Gespräche nun wieder aufnehmen. Gibt es jetzt doch eine Chance auf eine schnelle Waffenruhe? ERLER: Ich begrüße es nachdrücklich, wenn Kerry und Lawrow jetzt in Lausanne den Gesprächskontakt erneuern und einen Ausweg aus der menschlich unerträglichen Situation in Aleppo und in ganz Syrien suchen. FRAGE: Aber bisher ist es mit Diplomatie nicht gelungen, die humanitäre Katastrophe zu stoppen. ERLER: Der einzige Weg ist Beharrlichkeit. Der Druck muss aufrechterhalten und die russische Politik weiter öffentlich verurteilt werden. Andere Vorschläge, die jetzt gemacht werden, etwa die Verhängung weiterer Sanktionen, werden nicht greifen. FRAGE: Warum machen Wirtschaftssanktionen aus Ihrer Sicht keinen Sinn? ERLER: Wir haben im Ukraine-Konflikt erlebt, dass die Wirtschaftssanktionen auch zwei Jahre nach Inkrafttreten keinen Durchbruch gebracht haben. Solange können die Menschen in Aleppo auf keinen Fall warten. Wir müssen einen neuen Anlauf im Weltsicherheitsrat starten, um eine Waffenruhe und sichere humanitäre Hilfe zu erreichen. Im Augenblick vermittelt Moskau leider den Eindruck, dass sie den Weg des syrischen Präsidenten für eine militärische Lösung unterstützen. Solange das anhält, sind die Chancen für ein Ende der Angriffe gering. Sanktionen in Zusammenhang mit dem Vorwurf von Kriegsverbrechen würden als Bestrafungsaktion verstanden und zu einer weiteren Zuspitzung der Lage führen. FRAGE: Wo bleibt der Protest der Massen? ERLER: Es ist schon erschütternd, was wir in Syrien erleben. Aber wir müssen genau überlegen, wie man deeskalieren und ein Ende der Kämpfe erreichen kann. Eine weitere Belastung des ohnehin aktuell schwierigen Verhältnisses zu Moskau würde keinem Menschen in Aleppo helfen. Die Vorwürfe aus Paris und London in Richtung Kreml haben jetzt Möglichkeiten zu Verhandlungen erschwert. Es wird keine Reise des russischen Präsidenten nach Frankreich geben. Noch ist unsicher, ob der Kreml-Chef am 19. Oktober zu einem Normandie-Treffen nach Berlin kommen wird, um über die Ukraine-Krise zu beraten.