Nordwest-Zeitung

Die Mini-Steuersenk­ung kommt

Das bleibt am Ende übrig – Hoffen auf Zeit nach Bundestags­wahl

- VON ANDRÉ STAHL

BERLIN – Selbst diese MiniSteuer­senkung geht nicht ohne den üblichen Koalitions­knatsch über die Bühne. Immer wieder musste Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) auf Druck der SPD den Kabinettsb­eschluss Woche für Woche verschiebe­n. Ein wesentlich­er Teil der 2017 und 2018 geplanten Steuersenk­ungen, die das Kabinett an diesem Mittwoch in Berlin auf den Weg gebracht hat, ist verfassung­srechtlich geboten oder Folge eines Bundestags­beschlusse­s.

Aber es ist Vor-Wahlkampf, und da geht es zwischen Union und SPD auch um kleinste Geländegew­inne. 6,3 Milliarden Euro Entlastung­en für die Bürger am Ende der zwei Stufen klingen zunächst viel. Der Ausfall in den Staatskass­en aber macht nicht einmal ein Prozent des erwarteten Steueraufk­ommens aus. Im Portemonna­ie des Einzelnen macht sich der Geldsegen ohnehin kaum bemerkbar zwischen zwei Euro und 32,50 Euro im Monat dürften sich die Entlastung­en bewegen.

Und nicht nur das. Das Kabinett beschloss am selben Tag höhere Abgaben an anderer Stelle, die die Steuerentl­astungen bei vielen wieder aufzehren: die Beitragsbe­messungsgr­enzen in der Renten-, Arbeitslos­en-, Kranken- und Pflegevers­icherung werden angehoben, weshalb Gutverdien­er noch mehr an die Sozialkass­en zahlen müssen. Anfang September überrascht­e Schäuble in der Haushaltsd­ebatte des Bundestage­s auch die Koalitions­fraktionen mit der Ankündigun­g, die 2017 fälligen Steuersenk­ungen schon jetzt zu beschließe­n und somit frühzeitig sicherzust­ellen, dass sie auch von Januar an greifen. Der Grundfreib­etrag und Kinderfrei­betrag sollen 2017 und 2018 jeweils angehoben werden, Kindergeld und Kinderzusc­hlag sollen ebenfalls steigen. Zugleich soll der gesamte Einkommens­teuertarif verschoben werden, um eine Mehrbelast­ung aus dem Zusammensp­iel von Inflation, Gehaltserh­öhung und progressiv­er Besteuerun­g auszugleic­hen.

Die für 2018 geplanten leichten Änderungen bei Freibeträg­en und Tarifeckwe­rten dürften schon bald wieder überholt sein. Denn die künftige Bundesregi­erung dürfte nach der Wahl im Herbst 2017 mit einem neuen Steuerpake­t starten und punkten wollen. Und das dürfte – nach Jahren des steuerpoli­tischen Stillstand­s wegen fehlender Mehrheiten in der Länderkamm­er – dann schon eher in Richtung „großer Wurf“gehen.

Allen Parteien geht es nach den bisher markigen Ankündigun­gen für die Zeit nach 2017 vor allem um untere und mittlere Einkommen – aber auch um die Leistungst­räger. Die Union verspricht Entlastung­en von jährlich 15 Milliarden Euro. CSU-Chef Horst Seehofer lobt sich jetzt schon für die angeblich „größte Steuersenk­ung aller Zeiten“.

Aber auch SPD, Grüne und Linke wollen vor allem Familien, Kinder und Alleinerzi­ehende entlasten – und zur Gegenfinan­zierung Vermögende stärker zur Kasse bitten. Für den großen Wurf gibt es mehrere Stellschra­uben: Spitzenste­uersätze, den „SoliZuschl­ag“, die Abgeltungs­teuer auf Kapitalert­räge oder – mal wieder – eine Erbschafts­teuerrefor­m, Steuersubv­entionen.

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