Nordwest-Zeitung

Ärztin schenkt kranken Kindern Lächeln

PROJEKT Dr. Deike Rosenbusch aus Bloh hilft ehrenamtli­ch kleinen Patienten im Slum von Nairobi

- VON SEBASTIAN FRIEDHOFF

Zwei Monate verbrachte die 32-jährige Ammerlände­rin für die „German Doctors“in der kenianisch­en Hauptstadt. Der Einsatz verlief höchst emotional.

BLOH/NAIROBI – Fensterlos­e Baracken, die teilweise nur einige Quadratmet­er groß sind, beherberge­n bis zu zehn Menschen. „Fließendes Wasser, Strom und Abwasser- oder Müllentsor­gung gibt es nicht. Trotzdem sind die Menschen unermüdlic­h darum bemüht, ihre Lebensbedi­ngungen zu verbessern, allerdings häufig chancenlos.“Das sagt die 32jährige Ärztin Dr. Deike Rosenbusch aus Bloh, die sich für Kinder in der Dritten Welt einsetzt. In diesem Jahr war sie für zwei Monate im Mathare Valley-Slum der kenianisch­en Hauptstadt Nairobi tätig, wo sie kranke Kinder medizinisc­h versorgte.

Eine hochemotio­nale Erfahrung für die junge Ärztin, die in Kenia ehrenamtli­chen im Rahmen des Nairobi-Projektes der Organisati­on „German Doctors“tätig war. Zuvor hatte sie für kleine Hilfsorgan­isationen in Peru und Myanmar gearbeitet.

„Die ersten paar Tage im Mathare Valley-Slum haben mich sehr schockiert. Obwohl man aus den Medien Eindrücke von den dortigen Lebensbedi­ngungen kennt, war es doch eine ganz andere Erfahrung, es mit eigenen Augen zu sehen“, erzählt Deike Rosenbusch. Knapp eine halbe Millionen Menschen leben dort zusammenge­drängt auf engstem Raum.

Geduldige Patienten

Alle sechs Ärzte des Projekts wohnten zusammen in einem Haus und wurden morgens mit einem kleinen Van in den Slum gebracht. Um 8 Uhr fing der Arbeitstag an. Zu diesem Zeitpunkt reihten sich bereits unzählige Patienten auf langen Bänken geduldig vor den Behandlung­szimmern auf. „Ich war als Kinderärzt­in für alle kleinen Kinder zuständig, die Kinder ab sechs Jahren mussten in den meisten Fällen von meinen Kollegen gesehen werden, da es einfach zu viele waren“, berichtet Deike Rosenbusch. Mitarbeite­r aus dem Projekt bestimmten bei jedem Kind das Gewicht, die Größe und die Temperatur und markierten die besonders kranken Kinder. „Ich habe bis zu 70 Kinder an einem Tag gesehen.“

Ein kleines Labor und eine Apotheke sind im Projekt vorhanden, so dass die Ammerlände­r Ärztin wichtige Blutwerte direkt bestimmen und Kindern unmittelba­r z.B. Antibiotik­a verabreich­en konnte. Auch ein Ultraschal­lgerät stand zur Verfügung. „Wollte man komplizier­tere Untersuchu­ngen oder auch nur ein Röntgenbil­d haben, musste man die Kinder ins Krankenhau­s überweisen“, erzählt die 32-Jährige.

Der Einsatz in Nairobi war emotional sehr fordernd für die Ärztin: „Die emotionals­ten Erlebnisse waren sicherlich die, bei denen es um verstorben­e Kinder ging“, sagt Deike Rosenbusch. Direkt im Projekt sei keines der Kinder gestorben, aber von den Kindern, die sie ins Krankenhau­s eingewiese­n hat, hätten einige nicht überlebt, berichtet die Ärztin. Dies habe sie entweder auf Nachfrage telefonisc­h erfahren oder wenn die Eltern vollkommen verzweifel­t wieder in die Ambulanz gekommen sind.

Schrecklic­hes Schicksal

„Besonders eine Mutter, deren mangelernä­hrtes Kind einen eigentlich einfach zu behandelnd­en MagenDarm-Infekt hatte, ist mir in Erinnerung geblieben“, erzählt die 32-jährige. Am Tag, nachdem Deike Rosenbusch das Kind mit der Ambulanz ins Krankenhau­s hatte bringen lassen, „stand sie aufgelöst in meinem Behandlung­szimmer. Über meine Übersetzer­in Etna habe ich herausbeko­mmen, dass ihre kleine Tochter in der Nacht im Krankenhau­s verstorben ist. Was für einen Trost kann man einer solchen Frau geben? Es ist eine unfassbare Ungerechti­gkeit, dass ihr Kind sterben musste“, sagt die Ammerlände­r Ärztin.

Doch es gab auch viele positive Erfahrunge­n: „Einige Mütter haben sich für Stunden in die langen Wartereihe­n eingereiht, nur um mir zu zeigen, dass es ihrem Kind nach unsere Behandlung wieder gut ging. Daneben gab es unzählige kleine Momente, die man in der Arbeit mit Kindern immer wieder hat, die mir sehr positiv in Erinnerung bleiben.“

Die Eltern seien häufig etwas schüchtern gewesen, „die Kinder dafür umso aufgeschlo­ssener und sehr interessie­rt an dem unbekannte­n, hellhäutig­en Wesen“, erzählt die 32-Jährige. Den direkten Kontakt habe die Sprachbarr­iere erschwert, da die meisten Menschen im Slum ausschließ­lich Kisuaheli und ihre eigene Stammesspr­ache sprechen. „Über meine Übersetzer­in Etna konnte ich jedoch alles Wichtige erfahren.“

Dr. Deike Rosenbusch hatte sich akribisch auf ihren Auslandsei­nsatz vorbereite­t, um Gefahren so gut es ging vorzubeuge­n. „Ich bin gut geimpft nach Nairobi geflogen, aber die generelle Gefahr von Tuberkulos­e, die im Slum sehr hoch ist, bestand trotzdem. Beim Blutabnehm­en muss man sich zudem Gedanken um das Risiko einer HIV-Infektion machen“, sagt sie.

Schüsse im Slum

Doch auch die Kriminalit­ät vor Ort war deutlich spürbar. „Aus dem Slum haben wir immer wieder Schüsse gehört. Insgesamt habe ich mich jedoch unter Einhaltung bestimmter Sicherheit­svorkehrun­gen sicher gefühlt“, sagt die 32-Jährige.

Neben dem Krankheits­spektrum, dass sie aus Deutschlan­d gewohnt war, handelte es sich bei der anderen Hälfte der Fälle in Nairobi um Kinder mit Erkrankung­en wie Tuberkulos­e, Malaria, Cholera, Sichelzell­anämie, Hautinfekt­ionen, schweren Verbrennun­gen aufgrund offener Feuer oder HIV-Neudiagnos­en. „Zudem gab es viele Kinder mit Mangelernä­hrung und Erkrankung­en durch Vitaminman­gel, bei denen ich immer sehr froh war, dass wir ans Projekt angegliede­rt ein Ernährungs­zentrum hatten“, sagt Deike Rosenbusch.

Ihr Arbeitstag endete meist gegen 17 Uhr, es wurde jedoch gearbeitet, bis alle Patienten gesehen worden waren. „Wegen der Gefahr der Heimreise in der Dunkelheit, gerade auch für die lokalen Projekt-Mitarbeite­r, haben wir uns aber bemüht, den Arbeitstag im Hellen zu beenden“, sagt die 32-Jährige.

Für sich persönlich und ihren weiteren berufliche­n Weg nimmt Deike Rosenbusch viel mit aus Nairobi. „Dass Kinder sich nicht richtig entwickeln können oder sterben müssen, weil sie nicht den gleichen Zugang zu medizinisc­her Versorgung haben wie in der westlichen Welt, ist eine Ungerechti­gkeit, die für mich ein Antrieb ist, mich gerade auch für diese Kinder einzusetze­n.“

Studium in London

Derzeit absolviert die Ärztin in London ein weiterführ­endes Studium im Bereich Public Health. „Ich hoffe, mit dem Studium und meinen Auslandser­fahrungen in der Zukunft die Möglichkei­t zu haben, vielen Kindern zu helfen. Ob dies primär im Ausland oder in Entwicklun­gsländern sein wird, kann ich noch nicht sagen.“

 ?? BILD: PRIVAT ?? Im Einsatz für kranke Kinder im Mathare Valley-Slum von Nairobi: Dieser kleine Patient kann schon wieder lächeln nach der Behandlung von Kinderärzt­in Dr. Deike Rosenbusch aus Bloh.
BILD: PRIVAT Im Einsatz für kranke Kinder im Mathare Valley-Slum von Nairobi: Dieser kleine Patient kann schon wieder lächeln nach der Behandlung von Kinderärzt­in Dr. Deike Rosenbusch aus Bloh.
 ?? BILD: PRIVAT ?? Schwere Lebensbedi­ngungen: der Mathare Valley-Slum der kenianisch­en Hauptstadt Nairobi.
BILD: PRIVAT Schwere Lebensbedi­ngungen: der Mathare Valley-Slum der kenianisch­en Hauptstadt Nairobi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany