Sachsens Justiz in Erklärungsnot
DRESDEN/DPA – Zahlreiche Ungereimtheiten beim Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis bringen Sachsens Justiz in Erklärungsnot. Der als hochgefährlich eingestufte Syrer war am Mittwoch in seiner Zelle erhängt aufgefunden worden. Parteiübergreifend wurde Kritik daran laut, dass die Verantwortlichen nicht erkannten, dass er sich das Leben nehmen könnte.
Die Affäre um die Terroristenjagd in Sachsen wird zu einem Panoptikum deutscher Zustände. Grell werden da die Lage des Staates und die Geistesverfassung seiner Bürger beleuchtet. Es ist kein freundliches Bild.
Als in der Nacht zum Donnerstag der Selbstmord des syrischen Bomben-Bauers Dschaber al-Bakr bekannt wurde, überschlugen sich die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter. Die Lufthoheit hatten Verschwörungstheoretiker, die schnell von staatlichem Mord fabulierten und geradezu zwanghaft Parallelen zum Tode der RAF-Terroristen in Stuttgart-Stammheim vor fast 40 Jahren konstruierten. Aber es waren eben nicht nur notorische Aluhut-Träger, die da, von tiefstem Misstrauen gegen den Staat beseelt, ihre Kommentare ins Netz jagten. Dass sich unter den Augen der Justiz der Hauptverdächtige in einem spektakulären Terrorfall einfach so in seiner Zelle aufhängen konnte, kam so manchem Normalbürger derart absurd vor, dass nicht nur das Wort „Bananenrepublik“allgegenwärtig war, sondern auch Verschwörungstheorien fröhliche Urständ feierten. Man kann das fast schon verstehen.
Längst häuft sich staatliches Versagen in einem Ausmaß, dass Vertrauensschwund eine natürliche Folge ist. In Sachsen sehen Polizei und Justiz seit Monaten nicht gut aus. Im August verlieren Polizisten mitten in einer Großstadt eine Maschinenpistole, die Anschläge linker Terrorgruppen auf Bundeswehrfahrzeuge werden nicht aufgeklärt, in Leipzig liefern sich Linke und Rechte Straßenschlachten, ein ganzer Stadtbezirk verkommt zu einem linksradikalen Refugium – und nun der Selbstmord, der auf eine Kombination von Schlamperei und professionellen Fehlleistungen zurückzuführen ist. Aber auch anderswo blamiert sich der Staat: In Niedersachsen verschlampen Behörden Warnungen vor dem Terrormädchen Safia S. Die Behörden mehrerer Länder machen in der NSU-Affäre eine erbärmliche Figur, und die Asylkrise der vergangenen Monate riecht so manchem Deutschen verdächtig nach Staatsversagen.
Die Al-Bakr-Affäre offenbart also eine tiefe Vertrauenskrise zwischen den Bürgern und ihrem Staat, wie es sie in den Jahren seit 1949 kaum jemals gegeben hat. Das ist etwas, worüber man sich wirklich Sorgen machen muss.
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