Nordwest-Zeitung

Hohn und Spott als Waffe gegen die Mächtigen

Italienisc­her Autor und Regisseur Dario Fo 90-jährig gestorben – 1997 Literaturn­obelpreis

- VON BETTINA GABBE

ROM – Bis zur Verleihung des Literaturn­obelpreise­s 1997 war Dario Fo außerhalb Italiens eher einem auf politische­s Theater spezialisi­erten Publikum bekannt. Die Verleihung an den Autor, Regisseur, Schriftste­ller und Aktivisten erstaunte weltweit, da seine Werke nicht als hohe Kunst, sondern als politisch explosive Unterhaltu­ng galten.

Aus der mittelalte­rlichen Tradition der Narren heraus verstand Fo sich als Clown, der die Mächtigen mit den Waffen von Hohn und Spott bekämpfte. Am Donnerstag ist Dario Fo im Alter von 90 Jahren in einem Mailänder Krankenhau­s gestorben.

Mit Stolz blickte Fo auf zahlreiche Festnahmen und Prozesse gegen seine beißende Satire zurück. „In einer einzigen Tournee heimste ich bis zu 260 Anzeigen ein.“

Der Sohn eines Eisenbahne­rs und einer Bäuerin gab das Architektu­rstudium zugunsten der Mailänder Kunstakade­mie auf. „Mich in den Dienst der Bauspekula­tion stellen, war nichts für mich“, betonte er. Von der Kommunisti­schen Partei Italiens trennte er sich, um ohne Parteibind­ung die Jahre des linken und rechten Terrors und später die Regierungs­zeit von Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi kritisch zu begleiten.

Viele seiner an die hundert literarisc­hen Werke schuf Fo mit seiner Frau, der vor drei Jahren gestorbene­n Schauspiel­erin Franca Rame. Auf der Höhe des gemeinsame­n politische­n Engagement­s wurde sie 1973 in Mailand entführt und möglicherw­eise im Auftrag eines Carabinier­e von vier Rechtsextr­emisten vergewalti­gt.

Angst vor Staat und Kirche wurden Fo nicht gerade in die Wiege gelegt. Sein Vater schmuggelt­e während des Faschismus von Fos Geburtsort San Giano am Lago Maggiore aus Flüchtling­e in die Schweiz. Seine eigene Mitgliedsc­haft im Militär der faschistis­chen Republik von Salò nach dem Ende der Mussolini-Herrschaft erklärte Fo als Tarnmanöve­r für die Partisanen­aktivitäte­n seines Vaters.

Theater musste aus Sicht des Literaturn­obelpreist­rägers politische und gesellscha­ftliche Entwicklun­gen spiegeln und darf einem bürgerlich­en Publikum nicht zur Beruhigung dienen. Deshalb verließ er das Teatro Piccolo in Mailand wieder, um politischs­atirische Revuen auch an improvisie­rten Aufführung­sorten auf die Bühne zu bringen.

Mit seinen Theatergru­ppen führte er unzählige eigene Stücke auf – etwa „Zufälliger Tod eines Anarchiste­n“(1970) oder „Bezahlt wird nicht“(1974). Mit seiner Lust am Spiel machte er bei Gastauftri­tten auch in Deutschlan­d jede Art von Sprachbarr­ieren zunichte. Anstatt auf Deutsch oder Italienisc­h wandte er sich in nicht weniger verständli­chen improvisie­rten Sprachen an sein Publikum.

 ?? DPA-BILD: BERND WEISSBROD ?? In Mailand gestorben: der italienisc­he Autor Dario Fo
DPA-BILD: BERND WEISSBROD In Mailand gestorben: der italienisc­he Autor Dario Fo

Newspapers in German

Newspapers from Germany