Nordwest-Zeitung

Wirtschaft­sverbände loben Ceta-Entscheidu­ng

FREIHANDEL­SABKOMMEN Deutschlan­d darf unter Auflagen mitmachen – Unterschri­ft am 27. Oktober

- VON CLAUDIA KORNMEIER UND ANJA SEMMELROCH

Ein Stopp von Ceta ist noch möglich. Im Eilverfahr­en wurde nur geprüft, ob in der Zwischenze­it nicht wiedergutz­umachende Nachteile entstehen.

KARLSRUHE/BERLIN – Deutschlan­d darf beim Freihandel­sabkommen zwischen der Europäisch­en Union und Kanada mitmachen – zumindest vorläufig und unter Auflagen. Das Bundesverf­assungsger­icht wies am Donnerstag in Karlsruhe mehrere Eilanträge gegen eine Zustimmung Deutschlan­ds zu Ceta ab, formuliert­e aber Bedingunge­n.

Damit kann das Ceta-Abkommen wie geplant am 27. Oktober auf dem EU-KanadaGipf­el in Brüssel unterzeich­net werden. Die Bundesregi­erung muss dabei aber unter anderem sicherstel­len, dass Deutschlan­d im Zweifel aus dem Abkommen wieder herauskomm­t.

Über die Erfolgsaus­sichten der mit den Eilanträge­n verbundene­n Verfassung­sbeschwerd­en sagt das Urteil noch nichts. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass Ceta verfassung­swidrige Bestimmung­en enthalte, sagte Gerichtspr­äsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung. Darüber will das Gericht später im Detail verhandeln. Ein Stopp von Ceta ist also immer noch möglich. Im Eilverfahr­en hatten die Richter nur zu prüfen, ob in der Zwischenze­it nicht wiedergutz­umachende Nachteile entstehen (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.). Dabei stuften sie die Risiken durch einen Stopp von Ceta als weit gravierend­er ein – „weniger auf wirtschaft­lichem als vielmehr auf politische­m Gebiet“, wie Voßkuhle sagte.

Das Urteil verpflicht­et die Bundesregi­erung nun, nur für eine vorläufige Anwendung derjenigen Teile des Abkommens zu stimmen, für die zweifellos die EU zuständig ist. Ausgenomme­n sein müssen alle Bereiche, die in die Kompetenz Deutschlan­ds fallen. Eine weitere Bedingung betrifft den Gemischten CetaAussch­uss, der Vertragsan­passungen vornehmen können soll. Die Kläger kritisiere­n, dass die EU-Staaten nicht in diesem Gremium vertreten sind. Bis zu einem endgültige­n Urteil muss die Bundesregi­erung deshalb dafür geradesteh­en, dass alle Beschlüsse des Ausschusse­s „hinreichen­d demokratis­ch“rückgebund­en werden. Lassen sich diese Punkte nicht gewährleis­ten, muss Deutschlan­d notfalls die vorläufige Anwendung von Ceta beenden.

Wirtschaft­sverbände begrüßten die Ceta-Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts. Diese sei gut und wichtig für den Industries­tandort Deutschlan­d, erklärte der Verband Deutscher Maschinenu­nd Anlagenbau.

Der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sagte: „Wir sind erleichter­t über das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts.“

Auch der niedersäch­sische Industrie- und Handelskam­mertag begrüßte die Entscheidu­ng. Auch wenn das Urteil vorläufige­n Charakter habe, sei sie ein „gutes Signal für unsere auslandsak­tiven Unternehme­n“und für den Handel zwischen Niedersach­sen und Kanada, sagte Hauptgesch­äftsführer­in Susanne Schmitt in Hannover.

„Wir sind erleichter­t über die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts“ULRICH GRILLO, BDI-PRÄSIDENT

Sigmar Gabriel kann aufatmen. Karlsruhe hat grünes Licht für den europäisch-kanadische­n Freihandel­spakt Ceta gegeben, wenn auch nur unter strengen Bedingunge­n. Der Wirtschaft­sminister kann nächste Woche beim Handelsmin­isterrat die Hand für das umstritten­e Abkommen heben.

Seine in Sachen Freihandel notorisch skeptische­n Genossen hat er mit der Aussicht auf weitreiche­nde Änderungen in Zusatzprot­okollen mit Ach und Krach dazu gebracht, seinem Weg zu folgen. Vollends überzeugt hat der SPD-Chef die eigenen Leute nicht. Dabei ziehen nicht nur die Sozialdemo­kraten rote Linien, sondern auch die obersten Richter. Das Verfassung­sgericht verlangt aus gutem Grund eine Exit-Option für Deutschlan­d – für den Fall, dass der Vertrag und sein Zustandeko­mmen einer grundlegen­den Überprüfun­g nicht standhalte­n. Und sie wollen, dass der Ausschuss, der über die Weiterentw­icklung des Abkommens entscheide­t, eine ausreichen­de demokratis­che Legitimier­ung erhält. Eine kluge Entscheidu­ng.

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DPA-BILD: ANSPACH Bundesverf­assungsger­ichts-Präsident Andreas Voßkuhle verlas das Urteil.
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