HEIß AUF HELFEN
Mitarbeiter der Bahnhofsmission überwältigt – Sammlung am Samstag an zwei Standorten
Ein spontaner Aufruf via Facebook sorgt für eine ungeahnte Resonanz. Kaffee gilt als Türöffner.
OLDENBURG – Für 90 heiße Tassen muss eine alte Kaffeemaschine lange brühen. Nicht nur deshalb laufen die Maschinen in der Bahnhofsmission im Dauerbetrieb. Nun „droht“allerdings ein gewaltiger Koffein-Schock. Doch der Reihe nach. „Mit Beginn der kalten Jahreszeit schwinden unsere Kaffeevorräte“, hatte Kai Niemann vom Team der Bahnhofsmission am 4. Oktober im Sozialen Netzwerk Facebook geschrieben, und: „Ein Becher Kaffee ist bei uns mehr, als man nun vermuten mag. Er ist umsonst und jeder bekommt ihn. Kaffee wärmt auf, es lässt sich leichter über Probleme reden. Kaffee ist ein Türöffner.“
Dies rührte das bis dato eher kleine Gefolge. Und zwar so sehr, dass der Aufruf weiter geteilt wurde. Satte 700 Mal. Die Folge: Leiterin Doris Vogel-Grunwald und ihr Team erhalten seit dem spontan aufgesetzten Spendenaufruf plötzlich nicht mehr nur pfund-, sondern gleich palettenweise Kaffee, Zucker und Milch. Die CDU war schon da, der Round Table ebenso, auch der VfB und die Umbaubar haben reichlich Nachschub angekündigt. „Und plötzlich stehen dann noch kleine Familien vor der Tür und bringen uns Pulver vorbei“, sagt Vogel-Grunwald, „einfach so.“
Die drei Haupt- und 18 Ehrenamtlichen (alle zwischen 20 und 75 Jahren) sind überwältigt von solch einer Resonanz. Nicht nur, dass sie und ihre „Kundschaft“von der Gesellschaft gesehen würden, sondern auch die Tatsache, dass „wir offenbar ein Standing in der Stadt haben“, rühre sie alle an.
Michael Horst betreibt mit Freunden die Gruppe „Facebook Oldenburg“, in der immerhin 13000 Menschen mehr oder minder aktiv sind. Seit über einem Jahr stellen sie hier immer wieder beeindruckende Spendenaktionen auf die Beine. Am Samstag dürfte diese Serie wohl einen neuen Höhepunkt erhalten: Gemeinsam mit Freundin und Initiatorin Vanessa Hase nimmt er an verschiedenen Orten der Stadt Spenden entgegen, um diese dann an die Bahnhofsmission weiterzuleiten – „aber nicht nur Kaffee, Zucker und Milch, sondern auch Wolldecken und Handschuhe für die Obdachlosen, die in der Bahnhofsmission zu Gast sind.“„Das ist einfach Wahnsinn“, sagt da Vogel-Grunwald überglücklich. Obwohl sie selbst ja gar keinen Kaffee mag und entsprechend nur nach Hören-Sagen und auf gut Glück anrührt ... aber hier geht es ja auch nicht direkt um sie, sondern um all die Menschen, die sie hier am Aufgang zu Gleis 1 betreuen.
Rund 90 Tassen werden täglich ausgegeben. An Menschen ohne Heimat, Menschen ohne Wohnung, Menschen mit schwachen Lebensgeistern und Menschen ohne Menschen. Sie alle werden am Tisch bedient. Wie Menschen. Dabei trinken viele nicht einmal Kaffee, sondern wollen nur mal sitzen. Zuhören. Reden. Sich aufwärmen von der Welt außerhalb des Bahnhofs. „Und wir sind dann da“, sagt die Leiterin, „weil wir gebraucht werden.“
Das Mobiliar ist veraltet und schon ziemlich angegriffen, aus dem Mini-Budget werden Fortbildungen der ehrenamtlichen Mitarbeiter finanziert. Geld fehlt hier zwar an vielen Ecken und Enden, doch gerade am Kaffee sollte es nicht mangeln. Dass jetzt schon die Regale wieder gut gefüllt sind, ist dem Team der Bahnhofsmission ein großes Glück. Was da aber noch in den nächsten Tagen kommen mag? Das weiß hier niemand.
Was sie aber wissen, ist, wie nötig etwas Aufmerksamkeit, Ablenkung und Hilfe ist. Gerade Souad Rezek. Die Syrerin hat bis zum Frühjahr noch in einer Oldenburger Flüchtlingsunterkunft gelebt. Gegessen, geschlafen, auf Wände gestarrt. Nun engagiert sie sich für andere Hilfsbedürftige. Aus Überzeugung. Alle für alle also, jeder für jeden und mit dem, was er kann und hat. So funktioniert nicht nur Facebook, sondern ganz Oldenburg.
„Das ist einfach Wahnsinn.“DORIS VOGELGRUNWALD