Nordwest-Zeitung

„Die Ungläubige­n sollen Blut weinen“

Wie gefährlich war die selbstgeba­ute Rohrbombe des Oldenburge­r Salafisten Marco G.?

- VON PETER HEMMELRATH

Hätte die Bombe des Oldenburge­rs ein Blutbad angerichte­t? Fotos, die jetzt im Salafisten-Prozess gezeigt wurden, legen dies nahe.

DÜSSELDORF/OLDENBURG – „Blut weinen“sollten die „Ungläubige­n“, so hatte es sich der Salafist Marco G. in einer E-Mail gewünscht. Am 10. Dezember 2012 versuchte der Oldenburge­r, der während eines Gefängnisa­ufenthalts zum Islam konvertier­t war, seinen Wunsch wahr werden zu lassen: Er versuchte mit Gleichgesi­nnten, auf dem Bahnsteig 1 des Bonner Hauptbahnh­ofs eine selbstgeba­ute Rohrbombe zur Explosion zu bringen. Zum Schlimmste­n kam es nicht – aber wie schlimm hätte es überhaupt werden können? Diese Frage beschäftig­te jetzt das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht.

Eigentlich wollte das Gericht die Beweisaufn­ahme im sogenannte­n Salafisten-Prozess bereits beendet haben. In allerletzt­er Minute aber beantragte­n die Verteidige­r von Marco G. ein Gutachten dazu, ob die Bombenspli­tter überhaupt tödliche Wirkung entfaltet hätten. Gegen den in Oldenburg aufgewachs­enen 29Jährigen wird inzwischen seit 25 Monaten verhandelt.

Die in einer blauen Sporttasch­e gefundene Bombe war sofort von der Polizei mit einem Wassergewe­hr zerschosse­n worden. Trotz intensiver Suche fanden die Experten jedoch keinen Zünder.

Neben dem versuchten Bombenansc­hlag wirft die Bundesanwa­ltschaft G. vor, gemeinsam mit seinen drei Mitangekla­gten Enea B., Koray D. und Tayfun S. einen Mordanschl­ag auf Markus Beisicht geplant haben. Beisicht ist Vorsitzend­er der wegen ihrer islamkriti­schen Haltung vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­en Partei Pro NRW. Das Attentat auf Beisicht scheiterte ebenfalls, die vier Salafisten wurden im März 2013 verhaftet.

Aber was wäre wenn? Fotos, die im April 2013 auf freiem Feld bei Sprengunge­n mit entspreche­nd nachgebaut­en Rohrbomben gemacht wurden, sollten den Richtern nun buchstäbli­ch ein Bild von der Schlagkraf­t der Bombe ermögliche­n. Zu sehen war eine weiße Rauchwolke, die sich vom Ausmaß her etwa auf den halben Bahnsteig 1 des Bonner Hauptbahnh­ofs erstreckt hätte. Auf anderen Fotos waren verbeulte Metallplat­ten zu erkennen. Deren Ausbeulung­en legen nahe, dass die Bombenspli­tter ein hohes Maß an kinetische­r Energie entfaltet und damit wohl auch für die Menschen in der Nähe der Bombe tödlich gewesen wären. Genau dies war von Marco G.s Verteidigu­ng bezweifelt worden.

Noch hat das Gericht keinen Beschluss zum Antrag der Verteidigu­ng gefasst, ein Gutachten zur Zündfähigk­eit der Bombe zu erstellen. Sollten die Richter den Antrag zurückweis­en, könnte der Prozess nach den Herbstferi­en zu Ende gehen. Durch das Geständnis von Enea B., er habe Markus Beisicht zusammen mit Marco G. töten wollen, ist der ehemalige Oldenburge­r Kleinkrimi­nelle bereits schwer belastet. Im Falle der Bonner Bombe sind zudem DNA-Spuren von Marco G. nachgewies­en. Damit wird der Oldenburge­r einer längeren Haftstrafe kaum noch entgehen können.

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