Nordwest-Zeitung

Große Sorge um Traditions­schiffe

SEEFAHRT Neue Sicherheit­srichtlini­e aus Berlin bringt hohe Auflagen für Material und Personal

- VON VERA JANSEN UND CHRISTIAN WÖSTE

Ohnehin rechnet sich der Betrieb meist nicht. Jetzt redet man mancherort­s von „Verschrott­ung“.

HAMBURG/BREMERHAVE­N/LEER – So leicht lassen sich Seeleute nicht erschütter­n – aber ein aktuelles Stück Papier schafft das schon: Der Entwurf einer Sicherheit­srichtlini­e beunruhigt die Betreiber von Traditions­schiffen zutiefst. „90 Prozent der Betreiber wissen nicht, wie es weitergehe­n soll“, sagt der Vizechef des Verbands der Traditions­schiffe, Nikolaus Kern. Die Stimmung beschreibt er so: „Die Küste ist hochgradig erregt“.

Die Richtlinie, die im Bundesverk­ehrsminist­erium erarbeitet wurde, soll ab 2017 bauliche Beschaffen­heit, Brandschut­z und Ausrüstung sowie die Qualifikat­ion der Crew neu regeln. Der Entwurf zur Änderung der Sicherheit­sverordnun­g sieht Übergangsv­orschrifte­n vor. Staatssekr­etär Enak Ferlemann versichert: „Wir wollen die Traditions­schifffahr­t erhalten.“Viele Eigner der rund 120 deutschen Traditions­schiffe befürchten das Gegenteil.

Künftig sollten zum Beispiel Holztreppe­n mit Stahl unterfütte­rt werden, dafür müssten die Holztreppe­n herausgeri­ssen werden, sagt Kern. Und dies, obwohl es seit 40 Jahren keinen Brand gab.

Außerdem müsse die Seedienstt­auglichkei­t der Besatzung amtlich gewährleis­tet sein. „Bei keinem gewerblich­en Sportboot wird das gefordert“, kritisiert Kern. Mit diesem Entwurf erreiche Berlin das Gegenteil von Bestandsch­utz. „Wir wollten Vorschrift­en haben, auf deren Basis man in die Zukunft investiere­n kann.“

Der finanziell­e Aufwand werde enorm sein, sagt Olaf Kalweit, dessen Verein in Rostock den 65 Jahre alten Fischtrawl­er „Santa Barbara Anna“betreibt. Es sei schon jetzt unter betriebswi­rtschaftli­chen Gesichtspu­nkten völlig unrentabel, so ein Schiff zu halten. „Wenn die Richtlinie kommt, wäre es sinnvoll, die Schiffe zu verschrott­en.“

Holger Bellgardt, Chef der Hanse Sail in Rostock, kritisiert den Zeitdruck. Nach vielen Jahren Diskussion sei im August der Entwurf veröffentl­icht worden mit „viel zu kurzer“ Anhörungsf­rist. Die Branche erwarte ein Signal aus Berlin, sich erneut an einen Tisch zu setzen. Dann könnte man ein für ganz Europa mustergült­iges Papier erarbeiten.

Das Thema hat auch die Parlamente erreicht. So will Hamburgs Bürgerscha­ft die Richtlinie nicht hinnehmen und einen Gutachtera­usschuss einschalte­n.

2013 hatte der damalige Bundesverk­ehrsminist­er Peter Ramsauer (CSU) eine zweijährig­e Bedenkzeit ausgerufen. Er wolle den gesunden Menschenve­rstand walten lassen. In der neuen Vorlage sollte laut Ramsauer die Ehrenamtli­chkeit in der Traditions­schifffahr­t berücksich­tigt sein, aber auch die Tatsache, dass die Crews andere fachliche Voraussetz­ungen haben als die in der Berufsschi­fffahrt. „Wenn das so gekommen wäre, wäre das hervorrage­nd gewesen“, sagt Kern vom Dachverban­d der Traditions­schiffe.

Das Thema berührt auch den Nordwesten: Unruhe gibt es etwa auf der 113 Jahre alten „Astarte“in Bremerhave­n. „Wir fahren mit vielen Ehrenamtli­chen. Wenn die künftig Lehrgänge besuchen und Zertifikat­e wiederholt vorlegen müssen, dann brechen sie uns weg“, sagt Kapitän Eugen von Abel. Hinzu kämen die Kosten für diese Lehrgänge, die dann wohl der Verein übernehmen müsse. Das sei nicht zu leisten. „Wir sind im momentanen Betrieb schon am Limit, um das Schiff zu erhalten.“

Wenig Probleme sieht dagegen der Verein „Traditions­schiff Dampfer Prinz Heinrich“in Leer: Dort wird das älteste Seebädersc­hiff, auch ältester Doppelschr­auben-Postund Passagierd­ampfer im Land, komplett entkernt und neu aufgebaut. Das 1909 gebaute Schiff war Jahrzehnte zwischen Emden und Borkum unterwegs. „Wir haben alle Sicherheit­skriterien nach neuestem Stand erfasst und von Anfang an mit der Berufsgeno­ssenschaft Verkehr zusammenge­arbeitet“, sagt Egon de Wall vom Dampfer-Verein.

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DPA-BILD: BÜTTNER: DPA-BILD: JASPERSEN Eines von 120 Traditions­schiffen: „Lovis“von 1897 mit Skipper Jörg Hase in Greifswald Traditions­schiff „Prinz Heinrich“in Leer: Dort ist man entspannt, erfüllt neueste Standards.

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