Dürfen Grundrechte nicht zur Disposition stellen
FRAGE: Mehr als sieben Millionen Fernsehzuschauer haben die TV-Inszenierung von Ferdinand von Schirachs „Terror“in der ARD verfolgt. Sie werfen dem Autor vor, mit seinem Stück in die Irre zu führen und kritisieren die ARD. Was stört sie? BAUM: Grundsätzlich ist eine Debatte über dieses Thema und der zugrundeliegenden Verfassungsproblematik wichtig und nützlich. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber gegen die Publikumsbefragung. Über das Ergebnis und die Entscheidung der Fernsehzuschauer bin ich ziemlich erschrocken. Das ist ein Votum gegen das Grundgesetz. Und es ist doch merkwürdig: Bei den bisherigen Theaterinszenierungen ist das Ergebnis viel knapper ausgefallen, lag in der Regel bei 55 zu 45. Was ist da passiert? Die ARD hat vorher mit dem Bild des Piloten Werbung gemacht: „Ich habe 164 Menschen getötet, um 70 000 zu retten.“Das ist eine massive Beeinflussung. Das Stück verführt die Zuschauer. FRAGE: Und der Fernsehfilm? BAUM: Die Fernsehinszenierung hat es noch mehr getan. Das Schlussplädoyer des Verteidigers des Angeklagten, des Bundeswehrpiloten Koch, hat bei vielen Zuschauern möglicherweise den Ausschlag gegeben und ihre Entscheidung für einen Freispruch beeinflusst. Die Meinungen der Zuschauer sind laut ARD immer wieder hin und hergeschwankt. Es steckt etwas Manipulatives in den Stück. FRAGE: Die Zuschauer haben nur aus dem Bauch heraus entschieden? BAUM: Hier spielten Emotionen eine große Rolle und die sehr wichtige ethische und juristische Diskussion ist viel zu kurz gekommen. Ich fürchte mich davor, dass solche Volksbefragungen mit dem Handy auf dem Sofa via TV öfter stattfinden. Stellen Sie sich vor: Ein Terrorist wird gefasst und hat Informationen über einen bevorstehenden Anschlag. Dann kommt der Vorschlag, ihn zu foltern, um eine Aussage zu erzwingen. Eine große Mehrheit würde sich im Falle einer Abstimmung für die Folter entscheiden. Das wäre ein Unding. Während der Zeit des RAFTerrors waren 67 Prozent für die Todesstrafe für die Täter. Wir dürfen die Grundrechte und Verfassung nicht zur Disposition stellen. Der Terrorismus bedroht uns, aber er darf uns nicht Angst einflößen, die uns in die Irre führt. Angst ist ein schlechter Ratgeber.