Nordwest-Zeitung

Merkels Personalpo­ker

Lammert lässt nach Rückzug Kandidatur offen

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN – Am Tag danach ist das Bedauern groß – auch über die Parteigren­zen hinweg. Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) hatte am Montag seinen Rückzug aus der „aktiven Politik“angekündig­t und will im nächsten Jahr nicht erneut für das Parlament kandidiere­n.

Ob er weiter ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Bundespräs­ident Joachim Gauck bleibt, ließ Lammert selbst offen – und nährte damit die Spekulatio­nen. „Das, was ich erklärt habe, habe ich erklärt, und dem ist nichts hinzuzufüg­en“, sagte er am Dienstag und verzichtet­e auf eine Klarstellu­ng.

Rätselrate­n und Mutmaßunge­n im Bundestag, Wortexeges­e seiner schriftlic­hen Erklärung, in der ausdrückli­ch von einem „Abschied aus der aktiven Politik“die Rede ist. „Ich denke, es ist nun Zeit für einen Wechsel, zumal auch ich nicht immer jünger werde“, hatte Lammert in einem Schreiben an den Bochumer CDU-Vorsitzend­en Christian Haardt in seinem Wahlkreis und den Landesvors­itzenden der NRW-CDU, Armin Laschet.

Lammerts Verweis auf sein Alter – er ist 67 Jahre alt – wird allenthalb­en als Begründung für einen Rückzug in den Ruhestand gewertet. Seine Frau habe bereits in der Vergangenh­eit immer wieder darauf gedrängt, heißt es in der Unionsfrak­tion. Spitzenpol­itiker von CDU und CSU wollten sich am Dienstag nicht dazu äußern, ob Lammert auch weiterhin als möglicher Bewerber für das höchste Amt im Staate infrage komme.

Würde Lammert zum Bundespräs­identen gewählt, wäre das für Merkel ein Erfolg und ein Signal vor der Landtagswa­hl am 12. Mai in Nordrhein-Westfalen, schließlic­h käme das Staatsober­haupt dann aus den Reihen der CDU und noch dazu aus NRW.

Die Parteichef­s von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel wollen bis Ende des Monats darüber entscheide­n, ob Schwarz/Rot mit einem gemeinsame­n Kandidaten in die Bundesvers­ammlung geht. Lammert war zuletzt neben Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) als aussichtsr­eicher Bewerber genannt worden. Beide genießen über Partei- und Fraktionsg­renzen hinweg hohe Anerkennun­g. Merkel soll allerdings bereits gegenüber Gabriel klargestel­lt haben, dass die Union den SPDMann nicht mittragen werde. Daher ist kaum damit zu rechnen, dass sich die Sozialdemo­kraten hinter Lammert stellen werden. Merkels Präsidente­npoker geht also weiter.

Und Lammert kann sich auch der Zustimmung aus den eigenen Reihen nicht sicher sein. Er wäre als gemeinsame­r schwarz-roter Kandidat für die Bundesvers­ammlung kaum mehrheitsf­ähig – auch wenn er als exzellente­r und geistreich­er Redner gilt und wegen seiner intellektu­ellen Brillanz, seines feinen Humors und seiner Ironie geschätzt wird. Seit elf Jahren bekleidet der Bochumer das protokolla­risch zweithöchs­te Amt im Staat.

Unterstütz­ung bekommt Lammert aber von ungewohnte­r Seite: „Ich würde mir Norbert Lammert als Bundespräs­ident wünschen und würde mich freuen, wenn er bereit wäre zu kandidiere­n“, sprach sich Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Die Linke) für den CDUPolitik­er aus. Lammerts Rede am Tag der Deutschen Einheit in Dresden habe ihn „tief berührt und beeindruck­t“, so Ramelow. „Er hat die Kraft des Wortes, die wir eigentlich bräuchten.“

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DPA-BILD: JENSEN Angela Merkel sucht einen Kandidaten für die Gauck-Nachfolge, und der könnte Norbert Lammert sein.

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