Merkels Personalpoker
Lammert lässt nach Rückzug Kandidatur offen
BERLIN – Am Tag danach ist das Bedauern groß – auch über die Parteigrenzen hinweg. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte am Montag seinen Rückzug aus der „aktiven Politik“angekündigt und will im nächsten Jahr nicht erneut für das Parlament kandidieren.
Ob er weiter ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck bleibt, ließ Lammert selbst offen – und nährte damit die Spekulationen. „Das, was ich erklärt habe, habe ich erklärt, und dem ist nichts hinzuzufügen“, sagte er am Dienstag und verzichtete auf eine Klarstellung.
Rätselraten und Mutmaßungen im Bundestag, Wortexegese seiner schriftlichen Erklärung, in der ausdrücklich von einem „Abschied aus der aktiven Politik“die Rede ist. „Ich denke, es ist nun Zeit für einen Wechsel, zumal auch ich nicht immer jünger werde“, hatte Lammert in einem Schreiben an den Bochumer CDU-Vorsitzenden Christian Haardt in seinem Wahlkreis und den Landesvorsitzenden der NRW-CDU, Armin Laschet.
Lammerts Verweis auf sein Alter – er ist 67 Jahre alt – wird allenthalben als Begründung für einen Rückzug in den Ruhestand gewertet. Seine Frau habe bereits in der Vergangenheit immer wieder darauf gedrängt, heißt es in der Unionsfraktion. Spitzenpolitiker von CDU und CSU wollten sich am Dienstag nicht dazu äußern, ob Lammert auch weiterhin als möglicher Bewerber für das höchste Amt im Staate infrage komme.
Würde Lammert zum Bundespräsidenten gewählt, wäre das für Merkel ein Erfolg und ein Signal vor der Landtagswahl am 12. Mai in Nordrhein-Westfalen, schließlich käme das Staatsoberhaupt dann aus den Reihen der CDU und noch dazu aus NRW.
Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel wollen bis Ende des Monats darüber entscheiden, ob Schwarz/Rot mit einem gemeinsamen Kandidaten in die Bundesversammlung geht. Lammert war zuletzt neben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) als aussichtsreicher Bewerber genannt worden. Beide genießen über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg hohe Anerkennung. Merkel soll allerdings bereits gegenüber Gabriel klargestellt haben, dass die Union den SPDMann nicht mittragen werde. Daher ist kaum damit zu rechnen, dass sich die Sozialdemokraten hinter Lammert stellen werden. Merkels Präsidentenpoker geht also weiter.
Und Lammert kann sich auch der Zustimmung aus den eigenen Reihen nicht sicher sein. Er wäre als gemeinsamer schwarz-roter Kandidat für die Bundesversammlung kaum mehrheitsfähig – auch wenn er als exzellenter und geistreicher Redner gilt und wegen seiner intellektuellen Brillanz, seines feinen Humors und seiner Ironie geschätzt wird. Seit elf Jahren bekleidet der Bochumer das protokollarisch zweithöchste Amt im Staat.
Unterstützung bekommt Lammert aber von ungewohnter Seite: „Ich würde mir Norbert Lammert als Bundespräsident wünschen und würde mich freuen, wenn er bereit wäre zu kandidieren“, sprach sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) für den CDUPolitiker aus. Lammerts Rede am Tag der Deutschen Einheit in Dresden habe ihn „tief berührt und beeindruckt“, so Ramelow. „Er hat die Kraft des Wortes, die wir eigentlich bräuchten.“