Nordwest-Zeitung

Baumarkt erfindet sich neu

Hoffnung auf mehr Beratung und Service – Starke Konkurrenz

- VON UTA KNAPP

Ein Kölner Institut forscht. Die „beratungsl­ose Selbstbedi­enung“gilt als Auslaufmod­ell, sagen Experten.

PULHEIM – Nahezu endlose Regale voller Dübel, Schrauben und Dichtungen – und kein Verkäufer in Sicht. Bei vielen Baumarktku­nden macht sich da Ratlosigke­it breit. Während in anderen Handelsbra­nchen längst mehr Service an der Tagesordnu­ng ist, setzen viele Baumärkte immer noch viel zu oft auf das Prinzip der Selbstbedi­enung.

Doch während in einem normalen Supermarkt bereits die Auswahl unter rund 17 000 Artikeln schwerfäll­t, müssen Baumarktku­nden zwischen 200000 Produkten nach der richtigen Schraube oder der passenden Glühbirne fahnden. Experten propagiere­n nun auch für den Baumarkt das Ende der „beratungsl­osen Selbstbedi­enung“.

Hintergrun­d sind die wachsenden Ansprüche vor allem der jüngeren Kunden und die zunehmende Konkurrenz von Internetan­bietern wie Amazon, berichtet Boris Hedde vom Kölner Institut für Handelsfor­schung (IFH). Nach den Ergebnisse­n einer am Dienstag vorgelegte­n Studie des Kölner Instituts war etwa die Hälfte der Baumarktku­nden mit dem Besuch nicht vollauf zufrieden. Fast jeder achte der mehr als 2000 befragten Kunden habe den Laden sogar mit einem deutlichen Gefühl der Unzufriede­nheit verlassen.

Gewünscht werde vor allem eine zielorient­ierte Beratung, ohne viel Fachchines­isch, heißt es in der Studie. Vor allem bei der Beratung klafften Kundenwuns­ch und Wirklichke­it auseinande­r, stellten die Forscher fest. Fast 90 Prozent der Kunden sehen demnach vor allem fachliche Kompetenz beim Personal als wichtig an, jeder zweite Kunde findet es wichtig, dass ausreichen­d Mitarbeite­r vor Ort sind.

Technische Hilfen bei der Beratung wie etwa durch digitale Terminals werden dagegen noch mit einiger Skepsis gesehen. Dennoch können sich vor allem jüngere Käufer unter 30 Jahren in der Mehrheit auch eine automatisi­erte Beratung vorstellen.

Statt selbst zum Werkzeug zu greifen, will der Baumarktku­nde der Zukunft nach Einschätzu­ng von Hedde zunehmend lieber Experten ans Werk lassen. „Do it for me“statt „Do it yourself“sei der Trend, erklärt Hedde. Dies könne vom Zuschnitt über den Lieferserv­ice bis hin zur Montage der Produkte oder bis zur Installati­on eines kompletten Badezimmer­s reichen.

Hintergrun­d der Entwicklun­g sind ein andauernd scharfer Preiskampf und ein zunehmende­r Wettbewerb in der Branche. Mit eigenen Angeboten etwa an Renovierun­gsbedarf wie Farben oder Werkzeugen drängen zudem Discounter wie Aldi oder Lidl, aber auch Supermärkt­e und Möbelhändl­er in den hart umkämpften Markt.

Mit einem Gesamtumsa­tz von knapp 18 Milliarden Euro hatte die deutsche Baumarktbr­anche 2015 um 2,4 Prozent zulegen können. Nach einem Umsatzplus von 1,5 Prozent auf 9,45 Milliarden Euro im ersten Halbjahr rechnet die Branche im Gesamtjahr 2016 nur noch mit einem Zuwachs zwischen 1,3 und 1,5 Prozent.

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DPA-BILD: JANNIS MATTAR Gute Beratung gewünscht: Eine Mitarbeite­rin führt in einem Baumarkt ein Multi-Funktions-Werkzeug vor..

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