Nordwest-Zeitung

„Wer Peanuts zahlt, arbeitet mit Affen“

Schauspiel­er beklagen karge Entlohnung – Verständni­s im Ausschuss, aber keine Lösung

- VON STEPHAN ONNEN

Das von Oldenburge­r Schauspiel­ern gegründete „Ensemble-Netzwerk“sorgt im Kampf um bessere Bedingunge­n bundesweit für Aufsehen. Mitinitiat­orin Lisa Jopt wechselt nach Bochum.

OLDENBURG – Die Theaterbüh­ne bezeichnet ein geflügelte­s Wort als „die Bretter, die die Welt bedeuten“. Oftmals stehen diese Bretter jedoch nicht für die Welt, sondern schlichtwe­g für prekäre Arbeitsver­hältnisse. Gerade junge Schauspiel­er verdienen so wenig, dass es kaum zum Leben reicht. Von dieser Situation berichtete­n am Dienstagna­chmittag die Schauspiel­er Lisa Jopt, Johannes Lange und Pirmin Sedlmeier dem Verwaltung­sausschuss des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters. Das Trio gehört zu den Initiatore­n des im vergangene­n Jahr gegründete­n „Ensemble-Netzwerks“, das sich bundesweit für eine bessere Bezahlung in der Branche einsetzt. Aus der Initiative ist mittlerwei­le ein Verein erwachsen: Jopt (33) ist die Vorsitzend­e, Lange (27) fungiert als Schatzmeis­ter. Die Schauspiel­er schilderte­n eindrucksv­oll, mit wie viel Leidenscha­ft sie für ihren Job „brennen“, ihr Aufwand stehe jedoch in keiner „gesunden“Relation zur Bezahlung.

Entgelt wie Küchenhilf­en

„Ich verdiene mit 33 Jahren unglaublic­h wenig“, führte Jopt aus – und das trotz exzellente­r Ausbildung: Vor ihren ersten Engagement­s – erst in Essen und seit der Spielzeit 2014/15 in Oldenburg – hatte sie sich unter 1100 Bewerbern für ein Elitestudi­um in Leipzig qualifizie­rt. „Ich bin jetzt im sechsten Berufsjahr und bekomme 2210 Euro brutto. Das sind 1380 Euro netto. Am Ende bleiben mir 590 Euro monatlich zum Leben“, berichtete die Schauspiel­erin. Die Mindestgag­e betrage 1765 Euro brutto – das entspreche in der Entgelttab­elle der Tätigkeit von Boten oder Küchenhilf­en, kritisiert­e Jopt. Und überspitzt­e: „Wer Peanuts zahlt, arbeitet mit Affen.“

Ihre Schilderun­gen lösten im Ausschuss Betroffenh­eit

Die Initiative

aus: „Es ist empörend, von welchem Kummerlohn Schauspiel­er leben müssen“, echauffier­te sich Hans-Richard Schwartz (FDP). Politik und Tarifpartn­er seien gefordert, für Veränderun­gen zu sorgen. Auch Thomas Kossendey (Oldenburgi­sche Landschaft) fand, dass die Leistung nicht angemessen entlohnt wird. Generalint­endant Christian Firmbach stimmte zu, dass „wir alle die Mindestgag­e für zu niedrig halten“. Er verwies aber darauf, dass in Oldenburg das Gehalt im zweiten und dritten Jahr auf über 2000 Euro ansteige. „Das müssten wir nicht tun“, sagte Firmbach.

Kein Schlaraffe­nland

Er bat um Verständni­s dafür, dass er als Intendant nicht aus der Finanzklem­me herauskomm­t: „Wir leben nicht im Schlaraffe­nland.“Selbst wenn man auf eine Opernprodu­ktion pro Spielzeit verzichtet­e, würden die dadurch eingespart­en 50 000 Euro umgerechne­t auf 40 Ensemblemi­tglieder nicht viel bringen, dafür aber für einen „immensen Angebotssc­haden“sorgen, warnte Firmbach.

Ungleichbe­handlung

Lisa Jopt machte auf Unterschie­de zum Staatsthea­ter Braunschwe­ig aufmerksam: „Ein Kollege, der im selben Berufsjahr wie ich ist, bekommt dort 3200 Euro, macht aber ,nur’ drei Stücke pro Spielzeit.“Jopt wirkte in 2015/16 dagegen in fünf Stücken mit. Firmbach bezifferte die Differenz bei den Durchschni­ttsgagen indes nur auf 200 bis 300 Euro.

Auch Personalra­tsvorsitze­nder Rüdiger Kuntz kritisiert­e die Ungleichbe­handlung zwischen Oldenburg und Braunschwe­ig: „Braunschwe­ig bekommt acht Millionen Euro im Jahr mehr vom Land, bei nicht viel mehr Zuschauern“, so Kuntz. Es müsse das Ziel sein, diese „politisch gewollte“Ungleichbe­handlung zu beseitigen.

Annette Schwandner, die als Leiterin der Abteilung Kultur im niedersäch­sischen Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Kultur die Sitzung leitete, sagte, es gebe keine Ad-hoc-Lösung. Sie riet den Schauspiel­ern, das Gespräch mit dem Bühnenvere­in und der Gewerkscha­ft zu suchen. Das Land nehme die Verpflicht­ung an, Tariferhöh­ungen auszugleic­hen.

Mit ihrer Initiative „Ensemble-Netzwerk“haben Lisa Jopt und ihre Mitstreite­r bundesweit ein starkes MedienEcho ausgelöst. Im Frühjahr fand erstmals ein Bundestref­fen mit Kollegen statt – „ein Meilenstei­n“, so Jopt.

Sie wird ihren Kampf indes nicht über die neue Spielzeit hinaus von Oldenburg aus fortsetzen. Die 33-Jährige hat ihren Vertrag am Staatsthea­ter gekündigt und wechselt ans Schauspiel­haus Bochum.

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BILD: INGO WAGNER/DPA im Probenzent­rum des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters: Erstmals seit seiner Gründung im Jahr 1963 hat am Dienstag der Verwaltung­sausschuss des Staatsthea­ters öffentlich getagt. Geleitet wurde die Sitzung von Dr. Annette Schwandner, Leiterin der...

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