Nordwest-Zeitung

Steuerzahl­er für kleineren Bundestag

Der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er über eine Parlaments­reform

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN/EB – Der Bund der Steuerzahl­er fordert eine schnelle Reform des Wahlrechts. Der Verband sprach sich am Mittwoch dafür aus, den Bundestag auf maximal 500 Abgeordnet­e zu verkleiner­n. Hintergrun­d ist die Gefahr, dass sich der Bundestag nach der Wahl 2017 wegen unkalkulie­rbarer Überhangma­ndate auf bis zu 750 Abgeordnet­e aufblähen könnte.

FRAGE: Eigentlich sollte der Bundestag nach der Parlaments­reform kleiner werden. Jetzt droht er noch größer zu werden. Ist das nicht das falsche Signal? HOLZNAGEL: Die gesetzlich­e Mindestgrö­ße des Bundestags beträgt 598 Abgeordnet­e. Seit der Wahl 2002 ist er aber ständig gewachsen. Aktuell haben wir 630 Parlamenta­rier. Wenn nach der Wahl 2017 plötzlich 750 Abgeordnet­e im Bundestag sitzen, ist das geradezu eine Explosion. Schuld daran ist das aktuelle Wahlrecht, nach dem das Parlament durch so genannte Ausgleichs­mandate künstlich aufgebläht wird. Jeder weiß, dass Demokratie kostet. Doch das System der Ausgleichs­mandate schafft keinen Mehrwert für die parlamenta­rische Arbeit, verursacht dabei aber erhebliche Kosten. Den Bürgern wird eine Entlastung dadurch verwehrt, dass der Solidaritä­tszuschlag immer noch nicht abgeschaff­t wird, die EEG-Umlage steigt 2017 auf Rekordhöhe, und bei den Sozialvers­icherungen stehen massive Beitragser­höhungen vor der Tür. Wenn die Politik aber beim Wahlrecht eine Möglichkei­t zur Selbstbesc­hränkung hat, kneift sie. Das ist das völlig falsche Signal. FRAGE: Was bedeutet das konkret für die Steuerzahl­er? HOLZNAGEL: Allein die mandatsbez­ogenen Kosten eines Abgeordnet­en betragen rund 650 000 Euro im Jahr. Wenn wir tatsächlic­h 120 Bundestags­abgeordnet­e mehr haben werden als heute, bedeutet das Mehrkosten von jährlich mindestens 70 Millionen Euro – darin sind die Kosten für den Beamtenapp­arat der Verwaltung und die vielen Bundestags­liegenscha­ften noch gar nicht berücksich­tigt. Bereits jetzt platzt der Bundestag aus allen Nähten. Ich kann mir nicht vorstellen, wie 120 zusätzlich­e Abgeordnet­e samt Mitarbeite­r-Stab plus zusätzlich­e Beamte für die Verwaltung untergebra­cht werden sollen. Dies alles verursacht noch weitere Kosten. Ein Bundestag mit 750 Abgeordnet­en wäre pures Chaos! FRAGE: Wie sollte eine Wahlrechts­reform aussehen? HOLZNAGEL: In erste Linie geht es mir um Effizienz. Ein überdimens­ionierter Bundestag blockiert sich in seiner Arbeit selbst, die Arbeitsbed­ingungen würden der ehrwürdige­n Rolle des Mandats nicht gerecht. Deshalb brauchen wir ein deutlich kleineres Parlament. 500 Abgeordnet­e sind genug! Dadurch werden die organisato­rischen und parlamenta­rischen Abläufe straffer, die einzelnen Abgeordnet­en erhalten mehr Einfluss und die Verwaltung wird nicht unnötig aufgebläht. Dies erreichen wir, indem wir die Wahlkreise neu zuschneide­n und ihre Anzahl verringern. Vor allem müssen wir die Ausgleichs­mandate, die mit der Wahl 2013 eingeführt wurden, komplett wieder abschaffen. FRAGE: Kritik gibt es auch immer an der Höhe der Diäten und der Alterssich­erung. Leben der Bundestag und die Abgeordnet­en auf zu großem Fuß? HOLZNAGEL: Grundsätzl­ich nein. Die Höhe der Entschädig­ungen halte ich für fair. Ärgerlich ist vielmehr, dass die Abgeordnet­en bei ihren Pensionen stoisch an der Vollalimen­tierung durch die Steuerzahl­er festhalten. Einige Länderparl­amente sind hier schon viel weiter: In NRW zum Beispiel müssen die Abgeordnet­en seit mehr als zehn Jahren für ihre Altersvors­orge selbst aufkommen. Das halte ich für völlig angemessen. Ich würde mir wünschen, dass die Bundestags­abgeordnet­en bei diesem Thema in der Wirklichke­it ankommen und nicht länger am althergebr­achten Geldsegen festhalten. Ein politisch kluger Zug wäre es, wenn das Pensionssy­stem umgestellt und die Abgeordnet­en etwa in die gesetzlich­e Rentenkass­e einzahlen würden.

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