Nordwest-Zeitung

Atomkraftw­erke kaufen sich frei

Unternehme­n zahlen 23,5 Milliarden Euro an Staatsfond­s

- VON ANDRÉ STAHL

Der Staat übernimmt die Verantwort­ung für die Atommüll-Endlagerun­g. Für die Stilllegun­g der Kernkraftw­erke bleiben die Unternehme­n verantwort­lich.

BERLIN – Mehr als fünf Jahre nach dem Beschluss zum Atomaussti­eg hat die Bundesregi­erung die Weichen für einen Milliarden­pakt zur Entsorgung der atomaren Altlasten gestellt. Das Bundeskabi­nett brachte am Mittwoch einen Gesetzentw­urf auf den Weg, um sich mit den Stromkonze­rnen Vattenfall, Eon, RWE und EnBW über die Finanzieru­ng des Atomaussti­egs abschließe­nd zu verständig­en.

Geplant ist, dass der Staat den Unternehme­n die Verantwort­ung für die AtommüllEn­dlagerung abnimmt. Dafür müssen sie gut 23 Milliarden Euro an einen Staatsfond­s überweisen. Für Stilllegun­g und Abriss bleiben die Unternehme­n verantwort­lich. Zustimmen müssen noch Bundestag und Bundesrat. Auch die EU-Kommission muss prüfen, ob es sich um unerlaubte Beihilfen handelt.

Mit dem Gesetzespa­ket wird ein Vorschlag einer Expertenko­mmission umgesetzt. Danach sollen die vier Stromkonze­rne ab Januar bis zum Jahr 2022 rund 23,5 Milliarden Euro bar in einen staatliche­n Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerun­g von Atommüll in den nächsten Jahrzehnte­n managen soll. Das Geld stammt aus dem Finanzpols­ter der Unternehme­n, den sogenannte­n Rücklagen, und enthält auch einen Risikozusc­hlag von fast 6,2 Milliarden Euro.

Im Gegenzug für den Milliarden-Risikoaufs­chlag können sich die Unternehme­n von einer Haftung bis in alle Ewigkeit „freikaufen“– dieses Risiko würde dann beim Steuerzahl­er liegen. Je später die Konzerne überweisen, desto teurer wird es für sie. Die zu überweisen­de Summe fällt geringer aus, als nach dem Kommission­svorschlag fällig wäre. Auch sollen längere Ratenzahlu­ngen bis Ende 2026 ermöglicht werden. Daher ist fraglich, ob es bei dem Zeitplan bleibt.

Für Stilllegun­g und Rückbau der Kernkraftw­erke sowie die Verpackung des radioaktiv­en Abfalls sollen die Unternehme­n verantwort­lich bleiben. Der Staat würde mit dem Fonds viel Geld für den Atomaussti­eg sichern, das bei möglichen Konzernple­iten verloren wäre.

KOMMENTAR, SFEITE 4

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