Seit Donnerstag wird im Fall Safia S. vor dem Oberlandesgericht in Celle verhandelt. Der 16Jährigen Schülerin drohen bis zu zehn Jahre Haft.
CELLE – Wie eine IS-Kämpferin sieht die 16-jährige Safia S. nicht aus, als sie den Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle betritt. Die Schülerin trägt ein braunes Pulloverkleid mit Kapuze und ein beiges Kopftuch, ihre modische Brille hat einen dunklen Rand. Eher schüchtern läuft sie zum Platz neben ihrem Verteidiger. Eine normale Jugendliche halt, wird sich auch der Polizist gedacht haben, dem Safia Ende Februar bei einer Kontrolle im Hauptbahnhof Hannover ein Messer in den Hals rammt. Für diese Attacke muss sie sich seit Donnerstag verantworten.
„Wie wollen wir es halten, Safia und Du, oder Frau S.?“, fragt der Vorsitzende Richter Frank Rosenow, der bemüht ist, die Atmosphäre zu entspannen. „Safia und Du reicht“, sagt die Schülerin, für die der grauhaarige Rosenow Vater oder Klassenlehrer sein könnte. Rosenow lacht, es scheint, als wolle er das Grundvertrauen, das eigentlich zwischen einem Erwachsenen und Amtsträger sowie einer Jugendlichen herrschen sollte, herstellen. Genau dieses hatte Safia bei ihrer Attacke auf den arglosen Polizeibeamten missbraucht und ausgenutzt. Kinder als Terroristen – das Phänomen stellt auch die Justiz auf die Probe.
Dabei stehen mit der Deutsch-Marokkanerin Safia und dem als Mitwisser angeklagten Deutsch-Syrer Mohamad Hasan K. (20) zwei Prototypen eines neuen islamistischen Terrors vor Gericht, vor dem Sicherheitsbehörden verschiedener europäischer Länder warnen. Über das Internet radikalisiert, oft mit familiären Wurzeln in muslimischen Ländern, sind sie über die Propaganda und Chats mit IS-Drahtziehern ferngesteuert und sollen Anschläge in ihren europäischen Heimatländern verüben.
Beispiel Safia S.: Die Tochter einer strenggläubigen Marokkanerin kommt schon als Grundschülerin mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel in Kontakt, als „Unsere kleine Schwester im Islam“präsentiert Vogel sie auf Youtube beim Rezitieren des Korans. Als Safia Anfang dieses Jahres nach Überzeugung der Anklage zum IS Richtung Syrien aufbricht, erhält sie in Istanbul den Marschbefehl: Wir brauchen dich für Angriffe in deiner Heimat, erklären ihr die Strippenzieher. Die Ermittler werten Safias Attacke als ersten Anschlag im Auftrag des IS in Deutschland.
Was aber kann man gegen diese gewissermaßen hausgemachte Terrorgefahr tun, wie sie überhaupt erkennen? Um für die Prävention zu lernen, wird es bei dem Prozess in Celle sicher auch darum gehen, zu erfragen, was Safia und den Mitangeklagten Mohamad Hasan K. bewogen hat, sich für den radikalen Islamismus zu fanatisieren, dessen Wurzeln und Kampflinien fernab von Norddeutschland liegen.
Zurückhaltung gehört nicht zu den prägenden Merkmalen von Bernd Althusmann (CDU), designierter CDU-Parteichef und Spitzenkandidat seiner Partei zur Landtagswahl 2018. In der ersten Vorstellungsrunde vor CDU-Mitgliedern räumte der neue Hoffnungsträger gleich zwei politische Altlasten der früheren schwarz-gelben Vorgängerregierung ab: Die einst von CDU und FDP eingeführten und von Rot/ Grün kassierten Studiengebühren sind für Althusmann nur noch „Vergangenheit“– ebenso wie das von ihm als Kultusminister verantwortete und gescheiterte „Turbo-Abitur“nach 12 Jahren. „Wir kehren nicht wieder zurück“, macht Althusmann Tabula rasa.
Ebenso schneidig packt der Ex-Bundeswehroffizier auch innerparteiliche Probleme an. Als ein Parteifreund über Missgunst in Hildesheim klagt, lautet die kurze und knappe Antwort in der Dragoner-Halle zu Hannover: „Ich schicke die Kavallerie – Generalsekretär Ulf Thiele!“Althusmanns lautes Lachen zeigt jedoch, dass solche Zeiten in der CDU wohl ebenfalls der Vergangenheit angehören.
Apropos Vergangenheit: Der Streit um die Aufhebung der Immunität des SPD-Abgeordneten Ronald Schminke, der Missstände in Pflegeheimen angeprangert hat, findet Parallelen in der Landtags-Historie. Aktuell hat die Heimleiterin Schminke wegen Verleumdung angeklagt; seine Immunität, die Abgeordnete im Grundsatz vor Strafverfolgung schützt, soll aufgehoben werden. Ähnlich gelagert, verhinderte 1970 der Oldenburger Horst Milde (SPD), dass Staatsanwälte gegen den Kollegen Albert Fiege losmarschierten, weil dieser die Werbung eines Realschullehrers für die NPD öffentlich machte. Hier ging’s um angebliche „üble Nachrede“. Auch über einen CDU-Abgeordneten hielt der Landtag die schützende Hand. Dieser hatte seinen Landrat einen „Hanswurst“genannt. Für den Grünen-Juristen Helge Limburg zeigt sich, dass es immer wieder gute Argumente gab, die Aufhebung der Immunität zu verweigern. „Wie im Fall Schminke“, fügt Limburg hinzu.