Neuanfang
Das alte Kapitel BND mit all seinen Affären und Pannen soll abgehakt, ein Neuanfang sichtbar werden. Mag das BND-Gesetz mit seinen neuen Regeln auch mehr Transparenz verheißen, so liegt die Kontrolle doch vor allem in den Händen und der Regie der Bundesregierung. Ob aber dieses Konstrukt und die teilweise Ausweitung der Möglichkeiten für die Schlapphüte, Daten abzufangen und Nachrichten auszuspähen, wirklich verfassungskonform ist, werden wohl die obersten Karlsruher Richter entscheiden. Die ersten Klagen werden bereits präpariert.
Auch der Kampf gegen den Terror darf nicht dazu führen, dass die Grundrechte ausgehöhlt werden. Wer die Feinde der Freiheit mit der Verletzung der Freiheit bekämpfen will, wählt den falschen Weg. Allerdings: Wenn die Neuausrichtung des BND von denen zum Anlass genommen werden soll, die die Geheimdienste generell ablehnen, führt auch dies in die Irre. Ohne Aufklärung wären Sicherheit und Freiheit noch weitaus mehr in Gefahr.
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Viele Leser werden am Montag dieser Woche das Fernsehdrama „Terror“gesehen haben, ein Film über eine fiktive Gerichtsverhandlung. Manche haben wohl auch abgestimmt über die Frage, ob sich der angeklagte Kampfpilot der Bundeswehr des Modes schuldig gemacht hat, weil er befehlswidrig ein mit 164 Personen besetztes Linienflugzeug abgeschossen hat, das sich in der Hand eines Terroristen befand, der es in eine mit 70 000 Menschen besetzte Fußballarena stürzen lassen wollte.
Die überwältigende Mehrheit der Fernsehzuschauer in drei Ländern, deutlich mehr als 80 Prozent derjenigen, die abgestimmt haben, wollten den Piloten freisprechen. Ein beeindruckendes Ergebnis. Zugleich ein bedrückendes. Nicht, weil die Mehrheit der Zuschauer für ein „Nicht schuldig“plädiert hat. Nein, bedrückend, weil die Filmemacher ernsthaft glauben machen wollten, dass man eine Entscheidung mit einer solchen Tragweite mal eben so auf die Schnelle, vielleicht bei einem Glas Bier auf dem Sofa, treffen kann.
Da ist zum einen die rechtliche Seite: Den Piloten wegen Mordes anzuklagen, ist eher fernliegend. Denn es fehlt an den sogenannten Mordmerkmalen. Strafrechtlich hätte es näher gelegen, den Piloten wegen Totschlags anzuklagen, angesichts der besonderen Situation wegen Totschlags in einem minder schweren Fall. Darauf hat Thomas Fischer, ebenso umstrittener wie wortgewaltiger Bundesrichter in seiner Kolumne in der „Zeit“bereits hingewiesen. Das ist keine typische Juristen-Förmelei, sondern von entscheidender Bedeutung. Denn bei einem Totschlag in einem minderschweren Fall kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar von Strafe abgesehen werden.
In dem Film wird den Zuschauern darüber hinaus suggeriert, es gehe bei dem Fall um grundlegende Fragen des Rechts. Der Begriff Menschenwürde wird strapaziert. Verteidiger und Staatsanwältin überbieten sich gegenseitig mit Kant-Zitaten. Es wird gefragt, ob man Menschenleben gegeneinander aufrechnen kann, ob es gerechtfertigt sei, mehr als hundert Menschen in den Tod zu schicken, um 70 000 zu retten. Dem Zuschauer wird eingeredet, er müsse die Grenzen des Rechts ausloten. Es gehe um die Frage, ob das Recht überhaupt Antworten geben könne auf solche grundsätzlichen Fragestellungen.
Das alles ist Humbug. Um es klar und eindeutig zu sagen: Der Fall ist mithilfe des Strafrechts zu lösen. Ja, der fiktive Abschuss des Linienflugzeuges war ein rechtswidriger Totschlag. Das Strafrecht fragt aber, anders als der ARDThemenabend uns weismachen wollte, nicht nur nach der Rechtswidrigkeit. Es fragt auch nach der persönlichen Schuld eines Täters. Gerade diese entscheidende Frage ist in dem Film leider nicht thematisiert worden. Die Antwort findet sich im Strafgesetzbuch, nämlich in Paragraf 35: Liegt ein Fall des entschuldigenden Notstandes vor, handelt der Täter ohne Schuld und ist freizusprechen.
Ob in diesem Fall ein entschuldigender Notstand anzunehmen ist, oder ob von einem minder schweren Totschlag auszugehen ist, und vielleicht von Strafe abgesehen werden kann, lässt sich nicht auf dem Sofa so nebenbei entscheiden.