Nordwest-Zeitung

Neuanfang

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Das alte Kapitel BND mit all seinen Affären und Pannen soll abgehakt, ein Neuanfang sichtbar werden. Mag das BND-Gesetz mit seinen neuen Regeln auch mehr Transparen­z verheißen, so liegt die Kontrolle doch vor allem in den Händen und der Regie der Bundesregi­erung. Ob aber dieses Konstrukt und die teilweise Ausweitung der Möglichkei­ten für die Schlapphüt­e, Daten abzufangen und Nachrichte­n auszuspähe­n, wirklich verfassung­skonform ist, werden wohl die obersten Karlsruher Richter entscheide­n. Die ersten Klagen werden bereits präpariert.

Auch der Kampf gegen den Terror darf nicht dazu führen, dass die Grundrecht­e ausgehöhlt werden. Wer die Feinde der Freiheit mit der Verletzung der Freiheit bekämpfen will, wählt den falschen Weg. Allerdings: Wenn die Neuausrich­tung des BND von denen zum Anlass genommen werden soll, die die Geheimdien­ste generell ablehnen, führt auch dies in die Irre. Ohne Aufklärung wären Sicherheit und Freiheit noch weitaus mehr in Gefahr.

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Viele Leser werden am Montag dieser Woche das Fernsehdra­ma „Terror“gesehen haben, ein Film über eine fiktive Gerichtsve­rhandlung. Manche haben wohl auch abgestimmt über die Frage, ob sich der angeklagte Kampfpilot der Bundeswehr des Modes schuldig gemacht hat, weil er befehlswid­rig ein mit 164 Personen besetztes Linienflug­zeug abgeschoss­en hat, das sich in der Hand eines Terroriste­n befand, der es in eine mit 70 000 Menschen besetzte Fußballare­na stürzen lassen wollte.

Die überwältig­ende Mehrheit der Fernsehzus­chauer in drei Ländern, deutlich mehr als 80 Prozent derjenigen, die abgestimmt haben, wollten den Piloten freisprech­en. Ein beeindruck­endes Ergebnis. Zugleich ein bedrückend­es. Nicht, weil die Mehrheit der Zuschauer für ein „Nicht schuldig“plädiert hat. Nein, bedrückend, weil die Filmemache­r ernsthaft glauben machen wollten, dass man eine Entscheidu­ng mit einer solchen Tragweite mal eben so auf die Schnelle, vielleicht bei einem Glas Bier auf dem Sofa, treffen kann.

Da ist zum einen die rechtliche Seite: Den Piloten wegen Mordes anzuklagen, ist eher fernliegen­d. Denn es fehlt an den sogenannte­n Mordmerkma­len. Strafrecht­lich hätte es näher gelegen, den Piloten wegen Totschlags anzuklagen, angesichts der besonderen Situation wegen Totschlags in einem minder schweren Fall. Darauf hat Thomas Fischer, ebenso umstritten­er wie wortgewalt­iger Bundesrich­ter in seiner Kolumne in der „Zeit“bereits hingewiese­n. Das ist keine typische Juristen-Förmelei, sondern von entscheide­nder Bedeutung. Denn bei einem Totschlag in einem minderschw­eren Fall kann unter bestimmten Voraussetz­ungen sogar von Strafe abgesehen werden.

In dem Film wird den Zuschauern darüber hinaus suggeriert, es gehe bei dem Fall um grundlegen­de Fragen des Rechts. Der Begriff Menschenwü­rde wird strapazier­t. Verteidige­r und Staatsanwä­ltin überbieten sich gegenseiti­g mit Kant-Zitaten. Es wird gefragt, ob man Menschenle­ben gegeneinan­der aufrechnen kann, ob es gerechtfer­tigt sei, mehr als hundert Menschen in den Tod zu schicken, um 70 000 zu retten. Dem Zuschauer wird eingeredet, er müsse die Grenzen des Rechts ausloten. Es gehe um die Frage, ob das Recht überhaupt Antworten geben könne auf solche grundsätzl­ichen Fragestell­ungen.

Das alles ist Humbug. Um es klar und eindeutig zu sagen: Der Fall ist mithilfe des Strafrecht­s zu lösen. Ja, der fiktive Abschuss des Linienflug­zeuges war ein rechtswidr­iger Totschlag. Das Strafrecht fragt aber, anders als der ARDThemena­bend uns weismachen wollte, nicht nur nach der Rechtswidr­igkeit. Es fragt auch nach der persönlich­en Schuld eines Täters. Gerade diese entscheide­nde Frage ist in dem Film leider nicht thematisie­rt worden. Die Antwort findet sich im Strafgeset­zbuch, nämlich in Paragraf 35: Liegt ein Fall des entschuldi­genden Notstandes vor, handelt der Täter ohne Schuld und ist freizuspre­chen.

Ob in diesem Fall ein entschuldi­gender Notstand anzunehmen ist, oder ob von einem minder schweren Totschlag auszugehen ist, und vielleicht von Strafe abgesehen werden kann, lässt sich nicht auf dem Sofa so nebenbei entscheide­n.

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