Nordwest-Zeitung

Gegenwind für Boykott-Propaganda

Deutsche Politik lehnt antiisrael­ische Kampagne ab – In Oldenburg Streit vor Gericht

- VON ALEXANDER WILL

Eine Kampagne, die internatio­nal zum Boykott Israels aufruft, polarisier­t. Der Konflikt wird auch in der Region ausgetrage­n.

OLDENBURG/JERUSALEM – Die Welt ist ein Dorf. Konflikte verlängern sich heute schnell bis in unsere Region – so wie jetzt der Streit um eine antiisrael­ische Boykottbew­egung, der Oldenburg weltweit zweifelhaf­te Schlagzeil­en einbringt. Der Konflikt um den Umgang der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) mit einem antiisrael­ischen Artikel ihres Oldenburge­r Mitglieds Christoph Glanz beschäftig­t inzwischen Botschafte­n, Parteien und internatio­nale Medien. Im Zentrum steht die Frage, ob es sich bei der weltweiten Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“(Boykott, Desinvesti­tionen und Sanktionen, BDS) für die Glanz aktiv ist, um eine Bürgerrech­tsorganisa­tion oder eine antisemiti­sch motivierte Bewegung zur Zerstörung Israels handelt.

BDS entstand 2005, als verschiede­ne palästinen­sische Organisati­onen dazu aufriefen, für den kompletten wirtschaft­lichen, sozialen und wissenscha­ftlichen Boykott Israels zu sorgen und dafür Druck auf Regierunge­n und Organisati­onen auszuüben. Die Kampagne fand schnell Anhänger unter propalästi­nensischen Aktivisten.

Heftige Kritik folgte auf dem Fuß. Sie bezog sich auf das, was BDS eben nicht sagt und auf die Methoden der Kampagne. Unklar bleibt nämlich etwa, welches „palästinen­sische Land“von der „Besatzung“befreit werden soll – Kritiker sehen hier die Existenz Israels in Frage gestellt. Zudem habe BDS bisher nie den palästinen­sischen Terror verurteilt, das Existenzre­cht Israels anerkannt oder das islamistis­che Regime in Gaza und die kleptokrat­ische Autonomieb­ehörde kritisiert. Abscheu erregten zudem Aktionen wie in Bremen im November 2015, bei denen BDSAktivis­ten vor und in Geschäften zum Boykott israelisch­er Waren auffordert­en. Nicht wenige fühlten sich an die „Kauft nicht bei Juden“-Kampagne der Nazis erinnert.

Daher hält nicht nur der Wissenscha­ftler Samuel Salzborn die Kampagne für antisemiti­sch (siehe Interview). Die Boykotteur­e werden immer öfter selbst boykottier­t. In Irland, Österreich und Frankreich kündigten Banken BDS-Gruppen die Konten. An der Universitä­t Leipzig verurteilt­e im August der Studentenr­at in einer beispiello­sen Resolution die BDS-Kampagne als antisemiti­sch und gegen die akademisch­e Freiheit gerichtet. Von der deutschen Politik wird BDS fast einhellig verurteilt – quer durch das politische Spektrum. Die Bundestags­abgeordnet­e Barbara Woltmann (CDU, Bad Zwischenah­n), Berichters­tatterin für Antisemiti­smusbekämp­fung im Innenaussc­huss, sagte dieser Zeitung: „Auch wenn wir mit Sorge die Art und Weise der Kampagne von BDS betrachten, wird sie die deutsche Politik gegenüber Israel auf keinen Fall verändern.“Sie teile die Position, dass Boykotte keine geeigneten Mittel seien, den Dialog zwischen Israelis und Palästinen­sern zu fördern. „Mich erinnert die BDS-Kampagne an Boykottauf­rufe aus der Zeit des Nationalso­zialismus.“

Auch die Bundestags­abgeordnet­en Michaela Engelmeier (SPD) und Volker Beck (Grüne) haben sich ähnlich geäußert. Nur in der Linksparte­i sieht man das anders. Am Freitag stellte sich die „Arbeitsgem­einschaft Gerechter Frieden Nahost“hinter den Oldenburge­r Glanz. Die Linke sprach von einer Kampagne und dem Versuch, jede Kritik an Israel zu verhindern.

Dort schaut man in der Tat ganz genau auf alles, was mit BDS zu tun hat, denn man sieht das Existenzre­cht des Staates in Frage gestellt. Yakov Hadas-Handelsman, Botschafte­r Israels in Deutschlan­d, erklärte das gegenüber dieser Zeitung so: „Ein Beispiel ist die Forderung nach dem sogenannte­n Rückkehrre­cht von Millionen in alle Welt verstreute­n Palästinen­sern an die Wohnorte ihrer Vorfahren. BDS will eine EinStaaten-Lösung, und zwar so, dass an der Stelle von Israel ein palästinen­sisch-arabischer Staat entsteht. “

Und deswegen richte sich der Blick in Israel eben derzeit auch so intensiv auf Oldenburg, sagt Benjamin Weinthal, Europa-Korrespond­ent der renommiert­en Jerusalem Post und Fellow der Foundation for Defense of Democracie­s, dieser Zeitung: „Herr Glanz ist einer der führenden Aktivisten der antisemiti­schen BDSBewegun­g in Deutschlan­d. In diesem Sinne hat Oldenburg internatio­nale Bedeutung, weil der moderne und eliminator­ische Antisemiti­smus hier geplant und verbreitet wird.“

Und auch Björn Ihle, ein Oldenburge­r, der seit 25 Jahren in Israel lebt, verfolgt die Debatte in Oldenburg kritisch: „Dass ein Lehrer aktiv in der BDS-Bewegung ist, und öffentlich Israel schlecht macht, ist für mich problemati­sch.“Viele BDS-Aktivisten ignorierte­n Fakten. „Für sie ist Israel der Aggressor und die Palästinen­ser sind die Unterdrück­ten.“Unterdesse­n ist kein Ende der Debatte abzusehen: In Israel wird das Geschehen in Oldenburg weiter beobachtet – und dort wird der Antisemiti­smus-Streit bald vor Gericht verhandelt.

 ?? ARCHIV-BILD: HITIJ ?? In Deutschlan­d machen seit Jahren Freunde Israels gegen Antisemiti­smus und die BDS-Kampagne mobil. Hier Teilnehmer einer Kundgebung gegen Judenhass vor dem Brandenbur­ger Tor.
ARCHIV-BILD: HITIJ In Deutschlan­d machen seit Jahren Freunde Israels gegen Antisemiti­smus und die BDS-Kampagne mobil. Hier Teilnehmer einer Kundgebung gegen Judenhass vor dem Brandenbur­ger Tor.

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