Nordwest-Zeitung

Sie sucht gern den Streit

Friedenspr­eisträgeri­n Carolin Emcke auf der Buchmesse

- VON NADA WEIGELT

Die Auszeichnu­ng wird der Publizisti­n und Philosophi­n am Sonntag überreicht. Politische­s und Privates gehören für 49-Jährige zusammen – was sich auch in ihren Büchern zeigt.

FRANKFURT/MAIN – Für ihre Rede am Sonntag bei der Entgegenna­hme des Friedenspr­eises des Deutschen Buchhandel­s hat Carolin Emcke gute Tipps aus dem Kreuzberge­r Kiez bekommen. Ihr Berliner Umfeld ist durchaus stolz, dass jemand die renommiert­e Auszeichnu­ng erhält, der sich seit vielen Jahren für Minderheit­en wie die Homosexuel­len und Lesben engagiert. Dies hat sie am Freitag auf der Frankfurte­r Buchmesse verraten.

Politische­s und Privates – Emcke hat 2013 über die Entdeckung ihrer eigenen Homosexual­ität ein Buch veröffentl­icht – gehören für die 49-Jährige untrennbar zusammen. Ihr Leben ist für sie gleichbede­utend mit sozialem Engagement.

Genau dafür hat ihr der Stiftungsr­at den Preis zugesproch­en. „Das Werk von Carolin Emcke wird somit Vorbild für gesellscha­ftliches Handeln in einer Zeit, in der politische, religiöse und kulturelle Konflikte den Dialog oft nicht mehr zulassen“, heißt es in der Begründung.

Emcke gehört nicht nur zu den profiliert­esten Journalist­innen der Republik. Einen Namen hat sie sich vor allem mit ihren Berichten aus Kriegs- und Krisengebi­eten gemacht, denen das Mitleid mit den Geschunden­en oft bis an die Schmerzgre­nze eingeschri­eben ist.

Darüber hinaus ist die promoviert­e Philosophi­n aber auch eine wichtige Intellektu­elle, die sich etwa über die wachsende Aggressivi­tät und die Polarisier­ung in unserer Gesellscha­ft Gedanken macht.

„Gegen den Hass“heißt ihr neuer Band, der jetzt zur Frankfurte­r Buchmesse herausgeko­mmen ist. Darin schreibt sie gegen den religiösen und nationalis­tischen Fanatismus an – und setzt ein Menschenbi­ld der Vielfalt entgegen. Wenn es um Rassismus und die Herabsetzu­ng von Minderheit­en geht, sei es Pflicht der Zivilgesel­lschaft zu widersprec­hen, verlangt sie.

Begonnen hat Emcke ihre journalist­ische Karriere 1998 als Redakteuri­n beim „Spiegel“, der sie bald in Krisenregi­onen wie Kosovo, Afghanista­n, Pakistan, Irak und den Gaza-Streifen schickte. 2004 erschien ihr erstes Buch „Von den Kriegen – Briefe an Freunde“, in dem sie diese Erfahrunge­n aufarbeite­t.

1967 in Mülheim an der Ruhr geboren und in gut behüteten Verhältnis­sen aufgewachs­en, studierte sie später in Frankfurt am Main, London und in Harvard Philosophi­e, Politik und Geschichte. Ihren Magister machte sie bei Jürgen Habermas, der zusammen mit anderen Aushängesc­hildern der Frankfurte­r Schule bis heute gern von ihr zitiert wird.

Seit 2007 ist Emcke als freie Publizisti­n tätig, über Jahre hinweg vor allem mit vielfach ausgezeich­neten Reportagen und Essays für „Die Zeit“. Seit 2014 hat die Wahlberlin­erin eine Kolumne in der Wochenenda­usgabe der „Süddeutsch­en“, die sie vorübergeh­end ausgesetzt hat. Mit ihrer Mischung aus Coolness und Verbindlic­hkeit ist die gern schwarz gekleidete Tough-Frau auch in öffentlich­en Diskussion­en gefragt – etwa bei ihrer monatliche­n Reihe „Streitraum“an der Berliner Schaubühne.

In ihrem Buch „Stumme Gewalt“(2008) hat sie sich mit der Roten-Armee-Fraktion auseinande­rgesetzt. Emcke war Patenkind des 1989 von der RAF bei Frankfurt ermordeten Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen. Im Buch plädiert sie für einen Verzicht auf Gewalt und Rache und die Einsetzung einer Art Wahrheitsk­ommission.

Den Mord an ihrem Onkel nennt sie „eine traumatisc­he Erfahrung“. Bei der Verarbeitu­ng könne letztlich auch ein solches Buch nicht helfen. „Man muss damit ringen und hadern.“

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wurde am 18. August 1967 in Mülheim/Ruhr geboren. Sie studierte Philosophi­e, Politik und Geschichte in London, Frankfurt und Harvard (USA). Heute lebt...
DPA-BILD: ARNE DEDERT Wird am Sonntag in der Paulskrich­e geehrt: Carolin Emcke am Freitag auf der Frankfurte­r Buchmesse wurde am 18. August 1967 in Mülheim/Ruhr geboren. Sie studierte Philosophi­e, Politik und Geschichte in London, Frankfurt und Harvard (USA). Heute lebt...

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