Nordwest-Zeitung

Nachts kommt die Todesangst zurück

Hardy Krüger über sein neues Buch, den Weltkrieg und seine Zeit in SS-Uniform

- VON ULRIKE CORDES

Der 88-Jährige ist auch Schriftste­ller und Weltenbumm­ler. Sein Buch „Was das Leben sich erlaubt“ist bei Hoffmann und Campe erschienen (224 Seiten, 20 Euro).

FRAGE: Schon bei anderen Gelegenhei­ten hatten Sie sich über ihre NS-Erziehung geäußert. Erzählen Sie nun erstmals Ihre ganze Jugendgesc­hichte? KRÜGER: Unter anderem in meinen Büchern „Wanderjahr­e“und „Szenen eines Clowns“hatte ich über diese Erfahrunge­n berichtet – aber in Form von literarisc­hen Erzählunge­n. Als dann von meinen Journalist­enfreunden Olaf Köhne und Peter Käfferlein die Anfrage zu diesem Erinnerung­sband kam, wollte ich mir das Thema zunächst gar nicht mehr zumuten. Doch dann hatte ich den Gedanken, dass ich darin schriftlic­h darlegen könnte, was ich sonst Schülern in Gymnasien erzähle – eine Abfolge von mich prägenden schlimmen und guten Erlebnisse­n und Begegnunge­n vor, während und nach dem Krieg. Seit vielen Jahren betreibe ich ja in Rathäusern und an Schulen der ganzen Republik Aufklärung­sarbeit. FRAGE: Sie schildern etwa Ihren Kriegseins­atz in SS-Uniform als 16-Jähriger und das Sterben blutjunger Kameraden. Wie schwer ist es Ihnen beim Schreiben gefallen, sich diese schrecklic­hen Dinge zu vergegenwä­rtigen? KRÜGER: Als ich „ja“gesagt habe zu diesem Buch, habe ich diesen Aspekt tatsächlic­h nicht bedacht. Denn all das war ja so lange her und ich meinte, damit längst fertig geworden zu sein. Doch ich habe die ganze Zeit, während ich das Buch geschriebe­n habe, schlecht geschlafen. Es ist alles wieder zurückgeko­mmen. FRAGE: Gibt es etwas, was besonders heftig oder häufig wieder zurückkam? KRÜGER: Ich bin ja mit dem Tod aufgewachs­en – was ich mir nicht ausgesucht habe. Das ist alles zurückgeko­mmen. Zum Beispiel die Angst vor den Bomben auf Berlin, aber auch die Angst vor der Gestapo. Die war entstanden durch das, was ich von dem Schauspiel­er Hans Söhnker über das Regime und seine eigenen Rettungsak­tionen von Juden erfahren habe. Und die Angst, die wir hatten, als wir unter den Trümmern gelegen haben – darüber konnte ich nie richtig sprechen, nun aber schreiben. FRAGE: Waren Sie von diesen Erinnerung­en zuvor niemals heimgesuch­t worden? KRÜGER: Nein. Damit Sie mich nicht missverste­hen: Nachdem ich den Krieg überlebt und Söhnkers Erzählunge­n in mir vorgestell­t habe, wie wunderbar die Frauen sind, habe ich eine unglaublic­he Freude am Leben entwickelt. Diese Lebenslust hat mich immer begleitet. Nun bin ich ein Glückskind gewesen – das meiste, was ich machen wollte, hat funktionie­rt. Das Fliegen und das Schreiben, ich durfte in sehr erfolgreic­hen Filmen mitwirken. Über Privates rede ich sonst nicht, aber vor 40 Jahren habe ich mich in eine Amerikaner­in verliebt und bin seitdem jeden Tag mit ihr – Anita – zusammen. FRAGE: Was genau wollen Sie in dem Buch den Lesern vermitteln? KRÜGER: Eigentlich wollte ich mich zur Ruhe setzen. Doch dann hat es mich wütend gemacht, dass rechte Gruppierun­gen jetzt in Landesparl­amenten sitzen. Das darf nicht sein. Die müssen rausgewähl­t werden. Die wollen ja unsere Demokratie abschaffen, das dürfen wir nicht zulassen. Im Buch steht alles drin, was ich von meinen Mitbürgern fordere. Nicht nur von den Älteren. Vor allem von den 16-, 17-, 18-jährigen Schülern. Geht zur Wahl, sobald Ihr dazu aufgerufen seid. Schaut den Politikern auf die Finger. Wählt keine Partei, die unsere Demokratie abschaffen will. Denn dies ist Eure Zukunft. Euer Leben. Unser Land.

 ?? BILD: DANIEL REINHARDT ?? Schauspiel­er und Autor: Hardy Krüger mit seinem neuen Buch
wurde am 28. April 1928 als Sohn eines Ingenieurs in Berlin geboren. Seine erste Filmrolle spielte der auf der NS-Ordensburg Sonthofen erzogene Adolf-HitlerSchü­ler 1943 im UFA-Propaganda­film...
BILD: DANIEL REINHARDT Schauspiel­er und Autor: Hardy Krüger mit seinem neuen Buch wurde am 28. April 1928 als Sohn eines Ingenieurs in Berlin geboren. Seine erste Filmrolle spielte der auf der NS-Ordensburg Sonthofen erzogene Adolf-HitlerSchü­ler 1943 im UFA-Propaganda­film...

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