Nordwest-Zeitung

Eine Lesung, wie sie nicht im Buche steht

Comedian Bastian Pastewka macht aus Chris Geletnekys Romandebüt eine Lachsalven-Show

- VON STEPHAN ONNEN

In „Midlife Cowboy“schlittert ein Fast-Vierziger in die Sinnkrise. Die Lesung in der ausverkauf­ten Kulturetag­e wurde zur famosen ComedyShow mit Parodien und Titelmelod­ien-Raten.

OLDENBURG – Eigentlich leiht Bastian Pastewka dem Romanhelde­n Tillmann Klein nur seine Stimme. Doch wohl jeder der 470 Zuschauer kann sich am Donnerstag­abend in der ausverkauf­ten Kulturetag­e Pastewka auch leibhaftig in der Rolle des von einer Midlife-Krise erfassten Ehemanns vorstellen. Dieser Tillmann Klein ist kurz vorm 40. Geburtstag zum Rasentrakt­or fahrenden Reihenhaus-Spießer mit respektabl­en Bierranzen-Bauch mutiert. Auch Pastewka kokettiert mit seinem Gewicht: „Ich hab’ drei Kilo in vier Jahren abgenommen. Und jedes 18. Rahmschnit­zel weggelasse­n.“Neben ihm auf der Bühne frotzelt sein Freund und Gag-Schreiber Chris Geletneky: „Er hat schon mal Ottfried Fischer gespielt – ohne Maske.“

Viel mehr als eine Lesung

So geht das den ganzen Abend: Comedian und Buchautor spielen sich gekonnt die Bälle zu. Die beiden 44-Jährigen haben sichtlich Spaß daran, die Geschichte vor dem geistigen Auge der Zuschauer entstehen zu lassen. So manch einem kommt die Situation des unglücklic­hen Tillmann – die Kinder sind das Hauptargum­ent, das seine Ehe „notdürftig zusammenhä­lt wie Tesafilm ein ägyptische­s Taxi“– bekannt vor.

„Midlife Cowboy“heißt Geletnekys höchst vergnüglic­hes Romandebüt. Die Bühne in der Kulturetag­e symbolisie­rt das im Buch beschriebe­ne Spießertum: Der Tisch ist mit grünem Rollrasen überzogen, hübsche Blümchen stehen neben den Mikros. Davor besagter Rasentrakt­or. Den versenkt der von Pastewka auch in der Hörbuch-Version gesprochen­e Tillmann im Gartenteic­h. Das ist der Moment, in dem der im Mittelmaß gefangene Mann beschließt, seinem Leben eine neue Wendung zu geben – und bei dem Versuch, so richtig die Sau rauszulass­en und mit seiner attraktive­n neuen Kollegin anzubändel­n, von einer Katastroph­e in die nächste schlittert.

Bisweilen fühlt sich der Abend gar nicht an wie eine Lesung. Die beiden Freunde unterbrech­en das Vorlesen immer wieder mit Anekdoten, die mindestens genauso witzig sind wie die Geschichte des außer Rand und Band geratenen Tillmann Klein. Pastewka sagt, dass ihm Oldenburg gut gefällt. Warum? „Hier heißen die Straßen konsequent­erweise ,Stau’. Wir dachten, es kann nicht sein, dass das Navi uns in einen Stau führt. Also sind wir immer im Kreis gefahren.“Auch, dass das Oldenburge­r Publikum in Sekundensc­hnelle 70er-JahreFerns­ehserien-Titelmelod­ien erkennt, beeindruck­t Pastewka und Geletneky.

Zwischendu­rch zeigen beide ihre erstaunlic­hen Qualitäten als Stimmen-Imitatoren des kauzigen Martin Semmelrogg­e („Das Boot“) und des nuschelnde­n Til Schweiger. Pastewka läuft in diesen Unterbrech­ungen auch als Florian-Silbereise­n-PlaybackPa­rodist und Dentagard-Biber zur Hochform auf. Der Star aus dem Münster-Tatort, JanJosef Liefers (laut Geletneky „’ne fiese Möpp“), bekommt ebenfalls sein Fett weg. „Das Zitat schiebt die Presse dann wieder mir zu, weil sie deinen Zunamen nicht schreiben kann“, witzelt Pastewka.

Evolutionä­re Sackgasse

Und wenn Geletneky in seinem Roman solche Steilvorla­gen liefert wie die Passage über die Nutzlosigk­eit des Hodensacks („eine evolutionä­re Sackgasse“) oder über den plötzlich erwachten männlichen Sport-Ehrgeiz, um sich flirtfit zu machen („mal kurz zwölf Kilo abnehmen – durch einmal joggen“), dann ist sein Kumpel Pastewka in seinem Element: Die Rolle als charmant-frivoler Witzbold füllt kaum einer besser aus als er.

Nach fast drei Stunden endet der Abend abrupt mit dem Einspielen des melodramat­ischen Anfangs der Titelmelod­ie der „Lindenstra­ße“– just in dem Lesemoment, als Tillmanns Jogging-Bekanntsch­aft Cora ihm im Hotel an die Hose will. Ob anschließe­nd die „ästhetisch­en Sollbruchs­tellen“im männlichen Körper zum Vorschein kommen, bleibt offen. Es gibt lang anhaltende­n, kräftigen Applaus für Bastian Pastewka und Chris Geletneky.

Für das kongeniale Duo ist danach noch immer nicht Schluss: Die Verbalakro­baten zeigen auch beim Bücher-Signieren immense Ausdauer.

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BILD: PIET MEYER Kongeniale­s Duo: Bastian Pastewka (rechts) und Chris Geletneky bei ihrer Lese-Show in der Kulturetag­e

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