Eine Lesung, wie sie nicht im Buche steht
Comedian Bastian Pastewka macht aus Chris Geletnekys Romandebüt eine Lachsalven-Show
In „Midlife Cowboy“schlittert ein Fast-Vierziger in die Sinnkrise. Die Lesung in der ausverkauften Kulturetage wurde zur famosen ComedyShow mit Parodien und Titelmelodien-Raten.
OLDENBURG – Eigentlich leiht Bastian Pastewka dem Romanhelden Tillmann Klein nur seine Stimme. Doch wohl jeder der 470 Zuschauer kann sich am Donnerstagabend in der ausverkauften Kulturetage Pastewka auch leibhaftig in der Rolle des von einer Midlife-Krise erfassten Ehemanns vorstellen. Dieser Tillmann Klein ist kurz vorm 40. Geburtstag zum Rasentraktor fahrenden Reihenhaus-Spießer mit respektablen Bierranzen-Bauch mutiert. Auch Pastewka kokettiert mit seinem Gewicht: „Ich hab’ drei Kilo in vier Jahren abgenommen. Und jedes 18. Rahmschnitzel weggelassen.“Neben ihm auf der Bühne frotzelt sein Freund und Gag-Schreiber Chris Geletneky: „Er hat schon mal Ottfried Fischer gespielt – ohne Maske.“
Viel mehr als eine Lesung
So geht das den ganzen Abend: Comedian und Buchautor spielen sich gekonnt die Bälle zu. Die beiden 44-Jährigen haben sichtlich Spaß daran, die Geschichte vor dem geistigen Auge der Zuschauer entstehen zu lassen. So manch einem kommt die Situation des unglücklichen Tillmann – die Kinder sind das Hauptargument, das seine Ehe „notdürftig zusammenhält wie Tesafilm ein ägyptisches Taxi“– bekannt vor.
„Midlife Cowboy“heißt Geletnekys höchst vergnügliches Romandebüt. Die Bühne in der Kulturetage symbolisiert das im Buch beschriebene Spießertum: Der Tisch ist mit grünem Rollrasen überzogen, hübsche Blümchen stehen neben den Mikros. Davor besagter Rasentraktor. Den versenkt der von Pastewka auch in der Hörbuch-Version gesprochene Tillmann im Gartenteich. Das ist der Moment, in dem der im Mittelmaß gefangene Mann beschließt, seinem Leben eine neue Wendung zu geben – und bei dem Versuch, so richtig die Sau rauszulassen und mit seiner attraktiven neuen Kollegin anzubändeln, von einer Katastrophe in die nächste schlittert.
Bisweilen fühlt sich der Abend gar nicht an wie eine Lesung. Die beiden Freunde unterbrechen das Vorlesen immer wieder mit Anekdoten, die mindestens genauso witzig sind wie die Geschichte des außer Rand und Band geratenen Tillmann Klein. Pastewka sagt, dass ihm Oldenburg gut gefällt. Warum? „Hier heißen die Straßen konsequenterweise ,Stau’. Wir dachten, es kann nicht sein, dass das Navi uns in einen Stau führt. Also sind wir immer im Kreis gefahren.“Auch, dass das Oldenburger Publikum in Sekundenschnelle 70er-JahreFernsehserien-Titelmelodien erkennt, beeindruckt Pastewka und Geletneky.
Zwischendurch zeigen beide ihre erstaunlichen Qualitäten als Stimmen-Imitatoren des kauzigen Martin Semmelrogge („Das Boot“) und des nuschelnden Til Schweiger. Pastewka läuft in diesen Unterbrechungen auch als Florian-Silbereisen-PlaybackParodist und Dentagard-Biber zur Hochform auf. Der Star aus dem Münster-Tatort, JanJosef Liefers (laut Geletneky „’ne fiese Möpp“), bekommt ebenfalls sein Fett weg. „Das Zitat schiebt die Presse dann wieder mir zu, weil sie deinen Zunamen nicht schreiben kann“, witzelt Pastewka.
Evolutionäre Sackgasse
Und wenn Geletneky in seinem Roman solche Steilvorlagen liefert wie die Passage über die Nutzlosigkeit des Hodensacks („eine evolutionäre Sackgasse“) oder über den plötzlich erwachten männlichen Sport-Ehrgeiz, um sich flirtfit zu machen („mal kurz zwölf Kilo abnehmen – durch einmal joggen“), dann ist sein Kumpel Pastewka in seinem Element: Die Rolle als charmant-frivoler Witzbold füllt kaum einer besser aus als er.
Nach fast drei Stunden endet der Abend abrupt mit dem Einspielen des melodramatischen Anfangs der Titelmelodie der „Lindenstraße“– just in dem Lesemoment, als Tillmanns Jogging-Bekanntschaft Cora ihm im Hotel an die Hose will. Ob anschließend die „ästhetischen Sollbruchstellen“im männlichen Körper zum Vorschein kommen, bleibt offen. Es gibt lang anhaltenden, kräftigen Applaus für Bastian Pastewka und Chris Geletneky.
Für das kongeniale Duo ist danach noch immer nicht Schluss: Die Verbalakrobaten zeigen auch beim Bücher-Signieren immense Ausdauer.