Bewegung im deutschen Präsidentenpoker
SPD-Chef Gabriel schlägt Außenminister Steinmeier vor
BERLIN – Paukenschlag im Präsidentenpoker: SPD-Chef Sigmar Gabriel schlägt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck vor. Deutschlands beliebter Chefdiplomat als Kandidat für Schloss Bellevue? Gefragt sei ein Bewerber, „der unser Land repräsentieren kann, aber auch die Herausforderungen unserer Zeit kennt und Antworten darauf hat“, erklärte Gabriel in einem Interview. „Die SPD hat bereits einen Kandidaten, auf den all das zutrifft: Frank-Walter Steinmeier.“Doch finde dieser bei der Union keine Unterstützung, schränkt der SPD-Chef ein. Es gebe jedoch weder aus der Union noch aus einer anderen Partei bisher einen Vorschlag, „der an Steinmeier heranreicht“, ist Gabriel überzeugt. Seine Partei werde „weiter offen und kompromissbereit bleiben, falls sich ein mindestens gleich guter Bewerber finden sollte, der dem Amt gewachsen ist“, signalisiert der SPDChef.
Gabriel geht in der Präsidenten-Frage plötzlich in die Offensive: Ein bemerkenswerter Zug, hatte es in der SPD doch lange Zeit geheißen, man werde erst einmal abwarten, wie sich Angela Merkel und die Union positionieren. Gabriel hatte zuvor Schlagzeilen mit einem letztlich gescheiterten Versuch gemacht, die Theologin und Ex-Bischöfin Margot Käßmann als Kandidatin für die Gauck-Nachfolge zu gewinnen. Der Vorstoß des SPD-Chefs für Steinmeier kommt überraschend, weil sich die Parteivorsitzenden der Großen Koalition für November zu einem Gespräch verabredet haben, um die Chancen für einen gemeinsamen Kandidaten auszuloten.
Im ersten Wahlgang der Bundesversammlung, die am 12. Februar 2017 tagt, hätten lediglich Schwarz/Rot oder Schwarz/Grün eine Mehrheit. Im dritten Wahlgang würde die einfache Mehrheit zur Wahl des neuen Bundespräsidenten ausreichen. Käme es zur Nominierung Steinmeiers, werde die Union auf jeden Fall einen eigenen Kandidaten aufstellen, heißt es in Parteikreisen. CDU und CSU verfügen in der Bundesversammlung über bis zu 543 Stimmen, die SPD über höchstens 388, die Grünen kommen auf bis zu 146 Stimmen, die Linke auf 94, die AfD auf 35 und die FDP auf 33. Die Piraten haben zwölf Stimmen, die Freien Wähler elf. Das heißt: Unter der Voraussetzung, dass alle SPD- und alle Grünen-Wahlmänner sich im dritten Wahlgang für Steinmeier entscheiden, würden zu seiner Wahl mindestens zehn Stimmen aus anderen Parteien benötigt. Von der Linkspartei kam am Sonntag nach Gabriels Vorstoß eine klare Absage, die FDP reagierte zurückhaltend. Linksparteichef Bernd Riexinger: „Prädikat unwählbar“.