Nordwest-Zeitung

Kita-Urteil: Wichtige Fragen offen

Städte- und Gemeindebu­nd erwartet keine Klagewelle in Niedersach­sen

- VON PEER KÖRNER

Trotz Rechtsansp­ruchs bekommen drei berufstäti­ge Mütter aus Leipzig zu spät einen Kita-Platz für ihre Kinder. Sie klagen und haben nun eine wichtige juristisch­e Hürde genommen.

HANNOVER – Nach dem jüngsten Urteil des Bundesgeri­chtshofes ist aus Sicht des Niedersäch­sischen Städtetage­s offen, wie schnell Familien bei einem Umzug mit einem KitaPlatz versorgt werden müssen. „Wie schnell muss denn ein Platz zur Verfügung stehen, wenn heute eine Familie mit zwei, drei Kindern im Krippen- und Kita-Alter zuzieht?“, sagte Lüneburgs Oberbürger­meister Ulrich Mädge (SPD), der Vizepräsid­ent des Städtetage­s ist. „Müssen wir dann morgen einen Platz anbieten können? Oder in einem halben Jahr?“Das Urteil lasse viele Fragen offen.

Der Bundesgeri­chtshof hatte am Donnerstag entschiede­n, dass Eltern Anspruch auf Schadeners­atz haben, wenn sie zum Wunschterm­in keinen Betreuungs­platz für ihr Kind bekommen und deshalb erst später wieder arbeiten gehen können. Die Kommunen müssen aber nur dann zahlen, wenn sie den Mangel mitverschu­ldet haben. Seit August 2013 gibt es für alle Kinder vom ersten Geburtstag an einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung in einer Kita oder bei einer Tagesmutte­r. Geklagt hatten drei Frauen aus Leipzig.

Lüneburg sei bei den Betreuungs­angeboten gut aufgestell­t, sagte Oberbürger­meister Mädge. Die Planung werde regelmäßig aktualisie­rt. Entwicklun­gen wie etwa der Familienna­chzug von Flüchtling­en ließen sich aber nur schwer prognostiz­ieren.

Die Städte und Gemeinden erwarten nicht, dass Eltern in Niedersach­sen nach der Gerichtsen­tscheidung vermehrt klagen werden. „Wir haben bislang keine Klagen in Hannover“, sagte Stadtsprec­herin Konstanze Kalmus. „Wir freuen uns, dass die Stadt auch bei den Kinderzahl­en wächst, und versuchen, allen Ansprüchen gerecht zu werden.“

Auch in Osnabrück wurde die BGH-Entscheidu­ng positiv gesehen. „Wir haben uns schon vor Jahren auf den Weg gemacht, in enormen Anstrengun­gen, sowohl finanziell als auch personell“, sagte Stadtsprec­her Sven Jürgensen. „Wir sehen uns durch dieses Urteil bestätigt.“

Göttingen ermittele den Bedarf an Kita-Plätzen gründlich, sagte Stefanie Ahlborn, Referentin des Oberbürger­meisters. Einige Faktoren seien jedoch schwer zu prognostiz­ieren. So seien die Geburten seit 2014 auf über 1100 pro Jahr angestiege­n, dazu komme die Versorgung von Flüchtling­skindern. Vor Schadeners­atzklagen sei Göttingen nicht sicher, sagte Ahlborn. „Solange das Land nicht ausreichen­des Geld für den Bau von Krippenplä­tzen zur Verfügung stellt, müssen die Kommunen ein gewisses Risiko kalkuliere­n.“

Der Sprecher des Niedersäch­sischen Städte- und Gemeindebu­ndes, Thorsten Bullerdiek, sagte: „Das ist eine riesige Aufgabe, die die Kommunen da zu bewältigen haben. Letztendli­ch werden es aber alle Kommunen in Niedersach­sen schaffen, jedem Kind mit gesetzlich­em Anspruch einen Platz zu garantiere­n. Wir gehen davon aus, dass es keine Klagewelle geben wird.“

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DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Eine Erzieherin liest ein Buch in einer Kindertage­sstätte der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) in Hannover vor.

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