Quälendes Zucken in den Beinen
Schwere Schlafstörungen und Folgeerkrankungen möglich
Die neurologische Erkrankung ist weit verbreitet. Die Beschwerden führen oft zu einem erheblichen Verlust an Lebensqualität.
OLDENBURG – Unruhige Beine können insbesondere abends und nachts zu einer unerträglichen Qual werden. Betroffene leiden unter einem unnatürlichen Bewegungsdrang, der häufig mit einem quälenden Kribbeln in den Beinen, Schmerzen und unkontrollierbaren Zuckungen verbunden ist. An einen geruhsamen Schlaf ist nicht zu denken, so dass Betroffene nachts nicht zur Ruhe kommen und am nächsten Tag mit den Folgen der Schlaflosigkeit zu kämpfen haben.
Die Deutsche RestlessLegs-Vereinigung geht davon aus, dass in Deutschland rund fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung gelegentlich oder regelmäßig unter RLS-Symptomen leidet, wobei Frauen etwa doppelt so oft betroffen sind wie Männer. Die Beschwerden sind allerdings nur bei ein bis zwei Prozent der Betroffenen so stark, dass sie einer dauerhaften medizinischen Behandlung bedürfen.
Keine Regeneration
Auch wer zunächst oder auch für längere Zeit nur leichte Beschwerden verspürt, kann nicht sicher sein, dass keine Verschlechterung auftritt. Bei vielen Betroffenen treten die Erkrankungsschübe mit der Zeit immer häufiger und intensiver auf. Bei einem schweren Verlauf können sich neben einem Verlust an Lebensqualität gefährliche gesundheitliche Folgen einstellen.
Wesentlicher Grund ist, dass RLS erhebliche Schlafstörungen verursachen kann, betont Dr. Arno Siever, Facharzt für Neurologie mit Praxis in Oldenburg: „Ohne ausreichenden Schlaf ist der Organismus nicht in der Lage, sich vernünftig zu regenerieren. Wenn das immer wieder passiert, kann es zu problematischen psychischen und körperlichen Folgeerscheinungen wie eine Schwächung des Immunsystems oder Depressionen kommen.“
Wer wegen der unruhigen Beine keine Ruhe in der Schlafenszeit findet, wird insgesamt anfälliger für das Entstehen von Erkrankungen.
Die Ursachen für eine RLSErkrankung sind wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Eine wichtige Rolle spielt nach Einschätzung von Fachleuten eine Störung bei der Übertragung bestimmter Botenstoffe – vor allem des Dopamins – im Gehirn und im Rückenmark. In vielen Fällen liegt eine genetische Disposition vor. Bei dieser medizinisch als idiopathische RLS bezeichneten Erkrankungsform treten die Beschwerden meistens über Generationen gehäuft in der Familie auf, ohne dass andere auslösende Ursachen vorliegen.
Seltener verbreitet ist das symptomatische RestlessLegs-Syndrom. Bei dieser Form wird RLS durch eine andere Grunderkrankung ausgelöst, erklärt Dr. Siever: „Bei diesen Patienten steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund, um mit einer erfolgreichen Therapie auch die RLS-Symptome lindern zu können.“
Schwangere oft betroffen
Als RLS-Auslöser können sehr unterschiedliche Grunderkrankungen oder Versorgungsdefizite infrage kommen. Besonders häufig tritt RLS als Begleiterscheinung einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz, einer rheumatoiden Arthritis, einer Polyneuropathie, einer Multiplen Sklerose oder von Schilddrüsenfunktionsstörungen auf. Auch Stoffwechselstörungen, Eisenmangel mit oder ohne Anämie sowie eine Schwangerschaft, die natürlicherweise mit einem erhöhten Eisenverbrauch verbunden ist, können für RLS-Beschwerden verantwortlich sein.
Nicht zuletzt können auch verschiedene Medikamente ein symptomatisches RLS auslösen oder die Symptome eines idiopathischen RLS verstärken. Dazu zählen etwa Neuroleptika, und Antidepressiva. Wenn die Wirkstoffe nach Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden, gehen die als Folge aufgetretenen RLS-Beschwerden in der Regel zurück.
Schwangere RLS-Patientinnen leben oft vor allem während der letzten Wochen vor der Geburt mit einem erheblichen Leidensdruck, weil die unruhigen Beine immer wieder zu Einschlaf- und Durchschlafproblemen führen. Oft tritt nach der Geburt eine deutliche Besserung ein oder die Beschwerden verschwinden ganz – wie bei den meisten RLS-Betroffenen, aber nicht für immer, betont Dr. Siever: „Auch wer jahrelang Ruhe hatte, muss damit rechnen, dass die Probleme früher oder später zurückkehren.“ FRAGE: Welche Beschwerden sind typisch für RLS? HABERSACK: Typisch ist vor allem ein unerklärlicher, unnatürlicher Bewegungsdrang, der abends und oft auch nachts in Verbindung mit periodischen Beinbewegungen auftritt. Daraus können sehr unterschiedliche Beschwerden resultieren. Neben Unruhe und Schmerzen können nachts erhebliche Schlafstörungen auftreten, die am nächsten Tag oftmals Abgeschlagenheit und Müdigkeit zur Folge haben. Wenn entsprechende Probleme häufiger auftreten, sollte man einen Arzt – am besten einen Neurologen – aufsuchen. FRAGE: Wie wichtig ist qualifizierte Hilfe? HABERSACK: Sehr. Entscheidend ist, dass man möglichst sofort zu einem Arzt geht, der die Beschwerden richtig einordnen kann. Ansonsten droht eine unerfreuliche Odyssee, weil etwa der Hausarzt, ein Orthopäde oder Heilpraktiker die Ursachen der Symptome oft nicht erkennt und die Behandlung nicht hilft. Viele versuchen es dann mit einer Selbstmedikation, die in der Regel ebenfalls erfolglos bleibt. Der richtige Weg bei RLS ist eine sorgfältige Untersuchung bei einem Neurologen. FRAGE: Wie groß ist die Chance für eine erfolgreiche Behandlungs? HABERSACK: Wer täglich unter schweren Beschwerden leidet, muss in der Regel dauerhaft Medikamente einnehmen, mit denen sich die Symptome lindern lassen. Wenn die Beschwerden nur sporadisch oder weniger stark sind, kann man häufig mit wenig, nur bei Bedarf eingesetzten oder auch ganz ohne Medikamente auskommen.