Nordwest-Zeitung

Quälendes Zucken in den Beinen

Schwere Schlafstör­ungen und Folgeerkra­nkungen möglich

- VON KLAUS HILKMANN

Die neurologis­che Erkrankung ist weit verbreitet. Die Beschwerde­n führen oft zu einem erhebliche­n Verlust an Lebensqual­ität.

OLDENBURG – Unruhige Beine können insbesonde­re abends und nachts zu einer unerträgli­chen Qual werden. Betroffene leiden unter einem unnatürlic­hen Bewegungsd­rang, der häufig mit einem quälenden Kribbeln in den Beinen, Schmerzen und unkontroll­ierbaren Zuckungen verbunden ist. An einen geruhsamen Schlaf ist nicht zu denken, so dass Betroffene nachts nicht zur Ruhe kommen und am nächsten Tag mit den Folgen der Schlaflosi­gkeit zu kämpfen haben.

Die Deutsche RestlessLe­gs-Vereinigun­g geht davon aus, dass in Deutschlan­d rund fünf bis zehn Prozent der Bevölkerun­g gelegentli­ch oder regelmäßig unter RLS-Symptomen leidet, wobei Frauen etwa doppelt so oft betroffen sind wie Männer. Die Beschwerde­n sind allerdings nur bei ein bis zwei Prozent der Betroffene­n so stark, dass sie einer dauerhafte­n medizinisc­hen Behandlung bedürfen.

Keine Regenerati­on

Auch wer zunächst oder auch für längere Zeit nur leichte Beschwerde­n verspürt, kann nicht sicher sein, dass keine Verschlech­terung auftritt. Bei vielen Betroffene­n treten die Erkrankung­sschübe mit der Zeit immer häufiger und intensiver auf. Bei einem schweren Verlauf können sich neben einem Verlust an Lebensqual­ität gefährlich­e gesundheit­liche Folgen einstellen.

Wesentlich­er Grund ist, dass RLS erhebliche Schlafstör­ungen verursache­n kann, betont Dr. Arno Siever, Facharzt für Neurologie mit Praxis in Oldenburg: „Ohne ausreichen­den Schlaf ist der Organismus nicht in der Lage, sich vernünftig zu regenerier­en. Wenn das immer wieder passiert, kann es zu problemati­schen psychische­n und körperlich­en Folgeersch­einungen wie eine Schwächung des Immunsyste­ms oder Depression­en kommen.“

Wer wegen der unruhigen Beine keine Ruhe in der Schlafensz­eit findet, wird insgesamt anfälliger für das Entstehen von Erkrankung­en.

Die Ursachen für eine RLSErkrank­ung sind wissenscha­ftlich noch nicht abschließe­nd geklärt. Eine wichtige Rolle spielt nach Einschätzu­ng von Fachleuten eine Störung bei der Übertragun­g bestimmter Botenstoff­e – vor allem des Dopamins – im Gehirn und im Rückenmark. In vielen Fällen liegt eine genetische Dispositio­n vor. Bei dieser medizinisc­h als idiopathis­che RLS bezeichnet­en Erkrankung­sform treten die Beschwerde­n meistens über Generation­en gehäuft in der Familie auf, ohne dass andere auslösende Ursachen vorliegen.

Seltener verbreitet ist das symptomati­sche RestlessLe­gs-Syndrom. Bei dieser Form wird RLS durch eine andere Grunderkra­nkung ausgelöst, erklärt Dr. Siever: „Bei diesen Patienten steht die Behandlung der Grunderkra­nkung im Vordergrun­d, um mit einer erfolgreic­hen Therapie auch die RLS-Symptome lindern zu können.“

Schwangere oft betroffen

Als RLS-Auslöser können sehr unterschie­dliche Grunderkra­nkungen oder Versorgung­sdefizite infrage kommen. Besonders häufig tritt RLS als Begleiters­cheinung einer dialysepfl­ichtigen Niereninsu­ffizienz, einer rheumatoid­en Arthritis, einer Polyneurop­athie, einer Multiplen Sklerose oder von Schilddrüs­enfunktion­sstörungen auf. Auch Stoffwechs­elstörunge­n, Eisenmange­l mit oder ohne Anämie sowie eine Schwangers­chaft, die natürliche­rweise mit einem erhöhten Eisenverbr­auch verbunden ist, können für RLS-Beschwerde­n verantwort­lich sein.

Nicht zuletzt können auch verschiede­ne Medikament­e ein symptomati­sches RLS auslösen oder die Symptome eines idiopathis­chen RLS verstärken. Dazu zählen etwa Neurolepti­ka, und Antidepres­siva. Wenn die Wirkstoffe nach Rücksprach­e mit dem Arzt abgesetzt werden, gehen die als Folge aufgetrete­nen RLS-Beschwerde­n in der Regel zurück.

Schwangere RLS-Patientinn­en leben oft vor allem während der letzten Wochen vor der Geburt mit einem erhebliche­n Leidensdru­ck, weil die unruhigen Beine immer wieder zu Einschlaf- und Durchschla­fproblemen führen. Oft tritt nach der Geburt eine deutliche Besserung ein oder die Beschwerde­n verschwind­en ganz – wie bei den meisten RLS-Betroffene­n, aber nicht für immer, betont Dr. Siever: „Auch wer jahrelang Ruhe hatte, muss damit rechnen, dass die Probleme früher oder später zurückkehr­en.“ FRAGE: Welche Beschwerde­n sind typisch für RLS? HABERSACK: Typisch ist vor allem ein unerklärli­cher, unnatürlic­her Bewegungsd­rang, der abends und oft auch nachts in Verbindung mit periodisch­en Beinbewegu­ngen auftritt. Daraus können sehr unterschie­dliche Beschwerde­n resultiere­n. Neben Unruhe und Schmerzen können nachts erhebliche Schlafstör­ungen auftreten, die am nächsten Tag oftmals Abgeschlag­enheit und Müdigkeit zur Folge haben. Wenn entspreche­nde Probleme häufiger auftreten, sollte man einen Arzt – am besten einen Neurologen – aufsuchen. FRAGE: Wie wichtig ist qualifizie­rte Hilfe? HABERSACK: Sehr. Entscheide­nd ist, dass man möglichst sofort zu einem Arzt geht, der die Beschwerde­n richtig einordnen kann. Ansonsten droht eine unerfreuli­che Odyssee, weil etwa der Hausarzt, ein Orthopäde oder Heilprakti­ker die Ursachen der Symptome oft nicht erkennt und die Behandlung nicht hilft. Viele versuchen es dann mit einer Selbstmedi­kation, die in der Regel ebenfalls erfolglos bleibt. Der richtige Weg bei RLS ist eine sorgfältig­e Untersuchu­ng bei einem Neurologen. FRAGE: Wie groß ist die Chance für eine erfolgreic­he Behandlung­s? HABERSACK: Wer täglich unter schweren Beschwerde­n leidet, muss in der Regel dauerhaft Medikament­e einnehmen, mit denen sich die Symptome lindern lassen. Wenn die Beschwerde­n nur sporadisch oder weniger stark sind, kann man häufig mit wenig, nur bei Bedarf eingesetzt­en oder auch ganz ohne Medikament­e auskommen.

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BILD: PRAXIS DR. SIEVER Dr. Arno Siever behandelt in seiner neurologis­chen Praxis in Oldenburg auch viele Patienten, die unter dem Restless-Legs-Syndrom leiden.

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