Wenn Chanel bloggen könnte
Über Stil weiß Jan Hertel so ziemlich alles – online schreibt er über Erlebtes
Mode ist Geschichte, Gegenwart und Zukunft zugleich. Auf seinem Blog lässt Jan Hertel deshalb gern auch mal 20 Jahre alte Hemden zu Wort kommen.
OLDENBURG/ZÜRICH – Wer Sonia Rykiel ist, das weiß er bereits mit acht Jahren. Jil Sander tritt in sein Leben, als er zwölf wird. Und dass hinter Helena Rubinstein mehr als nur die Lippenstift-Marke steckt, die seine Mutter in den 70er Jahren in der Farbe „Copper Frost“so liebte, das ist ihm damals natürlich auch schon klar.
Der Geschichtenerzähler
Jan Hertel hat in Bremen studiert, in Hamburg für Agenturen wie Scholz & Friends oder DDB gearbeitet und treibt als Senior Texter nun seit einigen Jahren in Zürich sein kreatives Unwesen. Doch eigentlich ist der 48-Jährige Geschichtenerzähler. Über die wunderbare Welt der Werber schreibt er bereits seit Längerem im „unabgeschlossenen Roman“. Nun folgt sein nächster Online-Clou: Auf „Clovis Sangrail“bloggt er auf englisch in kurzen Episoden über die lange Geschichte von Stil und Mode und schöpft dabei aus einem großen Fundus: sein eigenes Leben.
Hertel wird im Mai 1968 in Frankfurt am Main geboren. Eine bewegende Zeit. Eine Zeit des Protests und der Freiheit. Während junge Arbeiter in Frankreich sich zum Generalstreik versammeln, verdecken sie in England ihre Herkunft lieber mit teurer Markenkleidung, der sogenannte Mod-Stil ist geboren. Während auf Deutschlands Straßen Studenten demonstrieren, dominieren Models mit durchsichtigen Blusen Europas Laufstege. Allen voran Leslie Hornby alias Twiggy, die Ikone des „TransparentLooks“. Entdeckt wurde sie übrigens von Justin de Villeneuve – einer von Hertels Followern. Kreise schließen sich in der Mode eben schnell, weiß Hertel.
Auf seinem Blog konzentriert er sich dennoch nicht auf die letzte Kollektion eines Designers oder aktuelle Trends, sondern schöpft aus Erlebtem und Erhofftem. Und so kommen hier auch plötzlich Hemden zu Wort, die er vor fast 20 Jahren gekauft hat. „Stil vergeht nicht, wie Coco Chanel mal so schön sagte“, sagt Hertel.
Ein Klassiker ist auch das schwarze Gucci-Hemd, das Hertel 1997 für sich entdeckte und das ihm in einem Hamburger Geschäft als „todedel“angepriesen wurde. „Todedel“. Der eigenwillige Begriff hat es besonders einem von Hertels Lesern angetan: Nicholas Aburn, Designer bei Tom Ford und des goldenen Kleides von US-Schauspielerin Amy Adams, mit dem sie bei den Filmfestspielen in Venedig für viel Aufsehen sorgte.
Der Sinn für das Schöne
Doch es ist nicht das Glänzende und Glitzernde, was Hertel an der Welt von Mode und Modemachern so fasziniert. Es sind, klar, die Eindrücke und Begegnungen, die er als Kind mit seiner modeaffinen Mutter auf ihren Einkaufs-Exkursionen sammelte und hatte. Aber vor allem ist es diese Mischung aus Protest und Freiheit, das Aufbrechen von Normen, das Neuentdecken, die Gegensätze und das Individuelle und der Zusammenhalt – diese Luft der 68er, wenn man so mag“, sagt Hertel. „Und natürlich der Sinn für das Schöne.“Mehr Schönes gibt es auf
@ www.clovissangrail.com