Bei Pädophilen ist Therapie sinnvoll
FRAGE: Herr Professor Pfeiffer, das Berliner Pilotprojekt „Kein Täter werden“therapiert seit neun Jahren Männer mit pädophilen Neigungen, um Kindesmissbrauch zu verhindern. Was ist der besondere Ansatz? PFEIFFER: Normalerweise bekommen Pädophile erst dann ein Therapieangebot, wenn sie erwischt worden sind und bei Kindern massive Schäden angerichtet haben: Therapie als Teil der Strafverfolgung. Dann sind oft mehrere Kinder schon zu Opfern geworden. Bei dem Berliner Projekt wird versucht, Männer zu erreichen, die selber in Gefahr sind, ihre pädophilen Neigungen umzusetzen. Sie können die Therapie anonym und angstfrei akzeptieren, müssen sich nicht sorgen, dass ihr sozialer Ruf vernichtet wird, sie ihren Job verlieren. Das ist eine außerordentlich wichtige Ergänzung der bisherigen Bemühungen, sexuellen Missbrauch zu verhindern. FRAGE: Nach einer ersten, am Dienstag vorgestellten wissenschaftlichen Erhebung sind von 53 behandelten Männern fünf nach eigenen Angaben ein Jahr später rückfällig geworden. Ist das dennoch ein Erfolg? PFEIFFER: Das ist eine sehr ermutigende Rückmeldung der Wissenschaftler. Sie ist allerdings mit etwas Vorsicht zu interpretieren, weil sie auf Selbstangaben basiert. Auch nach offiziellen Zahlen ist die Rückfallquote pädophiler Straftäter aber überraschend niedrig, liegt unter 20 Prozent. Das macht klar: Bei Pädophilen ist Therapie sinnvoll. Betroffene, die sich an mich gewendete haben, bestätigen, dass Therapie sie daran gehindert hat, so wie vor der Behandlung auf Kinder zuzugehen. FRAGE: 7000 Menschen haben sich an das Netzwerk „Kein Täter werden“gewandt, nur jeder Zehnte hat tatsächlich eine Therapie begonnen: Sind die Hürden bei diesem Angebot einfach zu hoch? PFEIFFER: Nein, die Hürden sind vernünftig: Eine Therapie ist erst dann sinnvoll, wenn der Betroffene über einen gewissen Zeitraum demonstriert hat, dass er ernsthaft von dem Bedrängtwerden durch die eigenen Wünsche wegkommen will, immer wieder den direkten Kontakt zu Kindern herzustellen. Das Konzept aus Berlin ist sehr professionell und wird inzwischen bundesweit umgesetzt. Das ist ein Beitrag dazu, dass das Risiko des Missbrauchs in Deutschland deutlich rückläufig ist.