„Buch wie ein Orkan“
Buchheims Roman war ein Bestseller wider Erwarten
Das Buch löste 1973 eine aufgeregte Diskussion über den U-Boot-Krieg und die Verbrechen des Nationalsozialismus aus. Dabei wäre „Das Boot“beinah gar nicht in die Buchläden gekommen.
OLDENBURG – Beim Piper-Verlag war man skeptisch. Zu lang, zu verworren, „faschistischer Dreck“– so lautete das Urteil derjenigen, die von den fünf Leitz-Ordnern LotharGünther Buchheims gehört oder darin gelesen hatten. Der Verlag schickte das Manuskript zurück. Der Cheflektor, Walter Fritzsche, wollte es dann doch noch einmal sichten. Obwohl ihm der Zweite Weltkrieg „zum Hals heraus“hänge, wie er sagte.
Zunächst fristeten darum die fünf Ordner ein feuchtes Dasein im Wäschekorb seines Badezimmers. Aber Fritzsche las es dann doch – und war danach vom Verkaufserfolg überzeugt. So sehr, dass eine orangefarbene Banderole die Erstausgabe zierte: „Ein Buch wie ein Orkan“. In den nächsten Jahren wurde „Das Boot“in Deutschland eine Million und weltweit drei Millionen Mal verkauft. Es erlebte über 40 Auflagen und wurde in 18 Sprachen übersetzt.
Persönliche Widmung
Die Erstausgabe steht im Bücherschrank Friedrich Grades. Grade hatte als Leitender Ingenieur an der siebten Feindfahrt von U96 teilgenommen, die im Mittelpunkt des Romangeschehens steht. Der Band enthält eine persönliche Widmung Lothar-Günther Buchheims.
„Das Boot“kam nicht aus dem literarischen Nichts. Wenige Jahre nach dem Krieg, 1953, hatte der Oldenburger Gerhard Stalling Verlag mit einigem Erfolg das Buch „Die Wölfe und der Admiral“von Wolfgang Frank herausgebracht, der im Krieg wie Buchheim Angehöriger einer Propagandakompanie der Kriegsmarine war. Fünf Jahre später veröffentlichte der ehemalige Oberbefehlshaber der U-Boote, Karl Dönitz, seine Biographie. In den 1960er Jahren wurde durch den EichmannProzess in Jerusalem und den Auschwitz-Prozess in Frankfurt eine ganze Reihe von Büchern zum U-Boot-Krieg angestoßen.
Keines dieser Bücher aber hatte den Erfolg, den Herbert A. Werner 1970 mit seinem Buch „Die eisernen Särge“erzielen sollte. Die Schilderung des ehemaligen U-Boot-Kommandanten nahm die bildhafte und lebendige Erzählweise Lothar-Günther Buchheims vorweg. Vor allem aber fand sich bei Werner erstmalig die These von den U-Boot-Männern, die von der eigenen Führung „verraten“worden seien. Das Buch wurde schnell zum ersten U-Boot-Bestseller überhaupt. Es erschien sowohl auf Deutsch und Englisch und wurde in gleich vierzehn Ländern veröffentlicht. Der Autor wurde Medienstar: Allein in den USA absolvierte Herbert A. Werner 127 Fernsehund Radiointerviews.
Lothar-Günther Buchheim musste spätestens da seine Arbeit an „Das Boot“aufgenommen haben. Bereits sein erstes U-Boot-Buch, „Jäger im Weltmeer“(1943), hatte einen erfolgreichen Vorreiter: Der Kriegsberichter Harald Busch hatte 1942 „U-Boot auf Feindfahrt“veröffentlicht. In Aufmachung, Umfang und Format waren beide Bücher sehr ähnlich, in einigen Fotos sogar identisch.
Kontroverse Diskussion
Der gewaltige Sofort-Erfolg von „Das Boot“führte zu einer aufgeregten gesellschaftlichen Diskussion über die Männer der U-Boot-Waffe, vor allem über deren Leben und Sterben im zeitgenössischen Kontext von Nationalsozialismus und Krieg. Im Mittelpunkt des Diskurses stand, wie zuvor bei Herbert A. Werner, der Autor: LotharGünther Buchheim. Und wie Werner transportierte Buchheim das Bild einer von ihrer eigenen Führung verratenen und zum Tode verurteilten UBoot-Waffe. So lautete der Arbeitstitel zunächst auch nicht „Das Boot“, sondern „Das geduldete Leben“.
Daneben setzte Buchheim, besonders in der zentralen Figur des „Alten“, den Mythos von der besonderen Mannhaftigkeit der U-Boot-Fahrer auf subtile Art und Weise fort. Immerhin entstammte dieser Mythos der Propaganda der Kriegsmarine, deren Teil der Leutnant zur See, der Kriegsberichter Lothar-Günther Buchheim, aktiv gewesen war.
In seinem Buch füllen die literarischen Figuren des „Alten“und des „Leitenden“den Vordergrund. Deren Vorbilder auf U 96, Kapitänleutnant Heinrich Lehmann-Willenbrock aus Bremen und der Leitende Ingenieur (LI), Oberleutnant zur See Friedrich Grade aus Oldenburg, blieben hingegen weitgehend unbekannt. Das private Tagebuch des „LI“zur 7. Feindfahrt von U 96, der Grundlage von „Das Boot“, stellt nun die realen Männer von U 96 neben ihre fiktionalen Identitäten. Die Veröffentlichung des Tagebuchs in dieser Zeitung, auf den Tag genau 75 Jahre nach der Feindfahrt, ermöglicht eine neue Diskussion der Frage, wie der einzelne U-BootFahrer im Kontext von Nationalsozialismus und Krieg verstanden werden kann. Die Aufzeichnungen Grades werden zeigen, dass Lothar-Günther Buchheim mit seinem Welterfolg „Das Boot“nicht die letzte Antwort darauf gegeben hat.