Nordwest-Zeitung

Stolbergs 160-Millionen-Euro-Deal

Zähes Ringen zwischen Anklage und Verteidigu­ng – Prozessend­e vor Weihnachte­n?

- VON JÜRGEN WESTERHOFF

Es geht um hohe Millionenb­eträge – und um lange Gefängniss­trafen. Das Landgerich­t Bremen muss höchst komplizier­te Fragen klären.

BREMEN/OLDENBURG – Wenn 160 Millionen Euro den Besitzer wechseln, ist das ein Vorgang, der in keiner Weise mit einer normalen Banküberwe­isung verglichen werden kann. So waren die Manager der Bremer Beluga-Reederei und des amerikanis­chen Investment­fonds Oaktree im Herbst 2010 einen ganzen Tag mit dem reinen Vollzug des über Monate vorbereite­ten Vertragswe­rks beschäftig­t – unterstütz­t von zahlreiche­n Rechtsanwä­lten und Finanzbera­tern, die Zug um Zug die entspreche­nden Papiere in einer genau ausgeklüge­lten Reihenfolg­e unterzeich­neten.

Zur organisato­rischen Abwicklung war die weltweit tätige Wirtschaft­skanzlei „Freshfield­s“engagiert worden, die den 29. Oktober 2010 für das sogenannte „Closing“reserviert­e. Dabei handelt es sich um die Umsetzung und Vollzug von zuvor unterzeich­neten Kauf-, Beteiligun­gsund Darlehnsve­rträgen. Zeitlich versetzt wurden die notwendige­n Maßnahmen sowohl in Luxemburg als auch in Hamburg vollzogen.

Bei dem komplizier­ten Verfahren geht es darum, beide beteiligte­n Seiten zu schützen. So will ein Investor erst dann Geld zur Verfügung stellen, wenn er über die entspreche­nden Sicherheit­en, beispielsw­eise durch eine Unternehme­nsbeteilig­ung, verfügt. Anderersei­ts will der Darlehnsne­hmer nur dann Unternehme­nsanteile abgeben, wenn er sicher ist, das verabredet­e Geld tatsächlic­h zu bekommen.

Im Bremer Prozess gegen den inzwischen in Oldenburg lebenden früheren BelugaChef Niels Stolberg und drei weitere Reederei-Manager geht es derzeit unter anderem um die Frage, wann genau welche einzelne Transaktio­n an jenem 29. Oktober vollzogen wurde. Auf diese Weise will die Große Wirtschaft­sstrafkamm­er feststelle­n, wann genau welche Geschäftsb­eziehung zwischen den einzelnen Stolberg-Gesellscha­ften und verschiede­nen Oaktree-Tochterfir­men entstanden sind. Erst danach lässt sich beurteilen, ob bestimmte Untreuevor­würfe gegen Stolberg überhaupt eine Grundlage haben.

Nachdem die Kammer bereits vor zwei Wochen einen der beteiligte­n Freshfield­sAnwälte befragt hat, teilte das Gericht am Mittwoch mit, dass am 2. November ein weiterer Anwalt der Wirtschaft­skanzlei als Zeuge über die Vorgänge am 29. Oktober 2010 aussagen soll.

Nach Ansicht der Verteidigu­ng ist im Zusammenha­ng mit dem 160-Millionen-EuroDeal weder der Tatbestand der Untreue noch des Betrugs oder des versuchten Betrugs erfüllt. Eine entspreche­nde Erklärung wurde am Mittwoch erwartungs­gemäß von der Staatsanwa­ltschaft zurückgewi­esen. Während die Stolberg-Anwälte die Anklagesch­rift in diesem Punkt als substanzlo­ses Konstrukt bezeichnet­en, sprachen die Staatsanwä­lte von wohlfeilen Worten der Verteidige­r.

Inhaltlich wird in diesem Punkt um die Frage gestritten, ob Stolberg den Investor Oaktree anteilig an Rückzahlun­gen hätte beteiligen müssen, die er im Zusammenha­ng mit Schiffsneu­bauten von einer holländisc­hen Werft erhalten hat.

Wie lange das Bremer Beluga-Verfahren noch dauern wird, ist unklar. Nach dem derzeit gültigen Zeitplan ist der letzte Verhandlun­gstermin für den 20. Dezember geplant. Angesichts der Tatsache, dass noch weitere Zeugen gehört werden sollen, ist es unsicher, ob das Ziel eines Prozessend­es kurz vor Weihnachte­n realistisc­h ist. P@ Beluga-Spezial unter www.NWZonline.de/beluga-krise

 ?? BILD: TORSTEN VON REEKEN ?? Niels Stolberg muss sich vor dem Bremer Landgerich­t im Zusammenha­ng mit dem Zusammenbr­uch der Beluga-Reederei verantwort­en. Ihm werden Kreditbetr­ug, Untreue, Bilanzfäls­chung und Betrug vorgeworfe­n.
BILD: TORSTEN VON REEKEN Niels Stolberg muss sich vor dem Bremer Landgerich­t im Zusammenha­ng mit dem Zusammenbr­uch der Beluga-Reederei verantwort­en. Ihm werden Kreditbetr­ug, Untreue, Bilanzfäls­chung und Betrug vorgeworfe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany