Sportfreunde feiern volle Lotte
Drittliga-Aufsteiger aus dem Münsterland entwickelt sich zu Pokalschreck
Nach Werder Bremen schaltete Lotte auch Bayer Leverkusen aus. Laut Torwart Benedikt Fernandez gibt es ein simples Erfolgsgeheimnis.
LOTTE – Die Sportfreunde feierten volle Lotte: In den Kneipen rund um das Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück gingen die Bierreserven zur Neige, aber vor allem in der 14000-Seelen-Gemeinde Lotte herrschte in der Nacht auf Mittwoch der Ausnahmezustand. „Nun können wir feiern bis zum Gehtnichtmehr“, hatte Trainer Ismail Atalan gleich nach der Pokalsensation von Drittliga-Aufsteiger Sportfreunde Lotte gegen Champions-League-Club Bayer Leverkusen angekündigt und den Startschuss zu einem Feiermarathon gegeben.
Während seine Spieler mit einem geschätzten Marktwert von insgesamt 3,85 Millionen Euro nach dem 4:3 im Elfmeterschießen (2:2 n.V.) gegen das angeblich beste BayerTeam aller Zeiten (Marktwert: 262,5 Millionen) die Nacht zum Tage machten, war Atalan auf dem Weg nach Köln. Am Mittwochmorgen saß der 36-jährige Deutsch-Türke auf der Schulbank in der HennesWeisweiler-Akademie in Hennef, wo er gerade seinen Fußball-Lehrerschein macht.
„Diese Mannschaft kann auch ein Busfahrer trainieren, so gut ist die“, sagte der Trainer mit stolzgeschwellter Brust nach dem magischen Abend. „Wir haben uns in den letzten zwei Jahren eine gewisse Mentalität angeeignet. Wir haben mit zehn Mann auf diesem tiefen Boden zweimal einen Rückstand gegen einen Champions-League-Teilnehmer aufgeholt. Das zeigt den besonderen Charakter der Mannschaft“, fügte der Erfolgscoach des Drittliga-Vierten hinzu: „Am Samstag wollen wir unsere Klasse auch gegen Fortuna Köln wieder unter Beweis stellen.“
Derweil stimmten sich die Helden des Abends und ihre rund 8000 Fans in der engen Arena gemeinsam auf eine lange Nacht ein. Nach dem 2:1 gegen Werder Bremen in Runde eins und dem neuerlichen Coup in rund 45-minütiger Unterzahl gegen das BayerStarensemble brachen alle Dämme. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, intonierte Torhüter Benedikt Fernandez per Megafon und machte dann mit dem euphorisierten Anhängern „La Ola“.
Als der frühere Bayer-Keeper kurz zuvor den entscheidenden Elfmeter von Julian Baumgartlinger mit dem linken Bein artistisch pariert hatte, wurde er noch wie so viele seiner Mitspieler von Krämpfen geschüttelt. Anschließend machte Luka Tankulic die Sensation perfekt – und die Schmerzen waren verflogen.
„Das kann man nicht beschreiben. So ein Gefühlschaos habe ich im Leben selten erlebt. Ich habe ja mehr als die Hälfte meines Fußballerlebens in Leverkusen verbracht“, sagte Fernandez und erklärte dann das Wunder von Lotte: „Wir sind ein Dorf, wo jeder jedem hilft. Das gilt auch für die Mannschaft. Wir sind eine verschworene Einheit.“
Gemäß dem auf dem Teambus verewigten Motto „Volle Lotte“will der Pokalschreck, der erst im vergangenen Sommer nach mehreren Anläufen in die 3. Liga aufgestiegen war, auch im Achtelfinale weiter für Furore sorgen.