Millionen werden in Grundsicherung landen
FRAGE: Übertreiben die Gewerkschaften nicht, wenn sie den Eindruck erwecken, dass Altersarmut bald zum Normalfall wird? BSIRSKE: Wir sprechen nicht vom Normalfall. Was da aber auf viele, wenn auch nicht auf alle Menschen zukommt, muss zur Kenntnis genommen werden. 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben ein Monatsentgelt von 2500 Euro brutto oder weniger. Hätten wir heute schon das Rentenniveau, das vom Gesetzgeber für 2030 erwartet wurde, nämlich 43 Prozent, würde jemand mit 83 Prozent des Durchschnittsentgeltes – also rund 2500 Euro nach 40 Arbeitsjahren – auf eine Rente von 809,09 Euro kommen. 40 Beitragsjahre erreichen viele Arbeitnehmer gar nicht. FRAGE: Niedrige Rentenansprüche bedeuten nicht zwangsläufig Altersarmut, weil viele Rentner über Zusatzeinkünfte verfügen. Kann man das einfach ausblenden? BSIRSKE: So versucht die Politik natürlich, die Dramatik der Lage zu relativieren. Es kann nicht sein, dass man auf seinen Ehepartner angewiesen sein muss, um nach jahrzehntelanger Beitragszahlung nicht auf Grundsicherungsniveau zu fallen. Natürlich ist es sinnvoll die gesetzliche Rente durch betriebliche Zusatzvorsorge zu ergänzen. Aber 43 Prozent der Beschäftigten haben zurzeit gar keine Betriebsrente. Millionen Menschen werden in Zukunft im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein oder in der Nähe der Grundsicherung landen. Was da tickt, ist eine soziale Zeitbombe und die muss entschärft werden. FRAGE: Sie wollen höhere Beiträge, um das Rentenniveau wieder anzuheben. Ist es nicht besser, erst einmal Riester- und Betriebsrente attraktiver zu machen? BSIRSKE: Zur Entschärfung dieses Problems war mal die Riester-Rente gedacht. In Zeiten anhaltender Niedrigzinsen, intransparenter Riesterprodukte und hoher Verwaltungsgebühren ist das gescheitert. Mal ganz davon abgesehen, dass sich diejenigen, die sie am dringendsten bräuchten, sie sich am wenigsten leisten können und die Riester-Rente noch auf die Grundsicherung angerechnet bekommen. Die betriebliche Altersversorgung attraktiver zu machen ist hingegen sinnvoll, aber in vielen Branchen auch nicht einfach durchzusetzen. Deshalb bleibt die gesetzliche Rente zentral und muss die Talfahrt des Rentenniveaus jetzt gestoppt werden.