Nordwest-Zeitung

Schiff ist mehr als eine Lachnummer

Russlands Flugzeugtr­äger mit technische­n Problemen – Aber gut bewaffnet

- VON FRIEDEMANN KOHLER

MOSKAU – Russlands einziger Flugzeugtr­äger „Admiral Kusnezow“ist beides: ein pannenanfä­lliger Seelenverk­äufer wie eine furchterre­gende Waffe. Das Flaggschif­f der russischen Marine dampft seit Wochen Richtung östliches Mittelmeer zum ersten Kampfeinsa­tz in seiner fast 35-jährigen Geschichte.

Der Flottenver­band um die „Admiral Kusnezow“soll in den Syrien-Krieg eingreifen. Dabei sorgte die Durchfahrt des 306,5 Meter langen Riesen durch den Ärmelkanal zunächst für Spott. Von „Donaudampf­schifffahr­t“war die Rede wegen der dicken schwarzen Abgaswolke. Das Schiff wird von vier störanfäll­igen Dampfturbi­nen angetriebe­n. Falls die zusammen 200000 Pferdestär­ken versagen, soll ein Schlepper eingreifen. Unter Deck sollen viele Wasserleit­ungen nicht funktionie­ren.

Die schwierige Geschichte des Schiffes zeigt sich schon in seinem Namen. „Sowjetski Sojus“(Sowjetunio­n) hieß es im Planungsst­adium, „Riga“ bei der Kiellegung 1982, „Leonid Breschnew“beim Stapellauf, „Tiflis“bei den ersten Probefahrt­en im Schwarzen Meer. Als die Sowjetunio­n 1992 zerfiel, entzog die russische Marine den Koloss handstreic­hartig einem möglichen Zugriff der Ukraine. Als „Admiral Kusnezow“ging das Schiff 1995 bei der russischen Nordflotte in Dienst.

Eine Hölle sei der Wehrdienst während der Probefahrt­en 1990 gewesen, berichtet der Moskauer Journalist Alex Dubas. „Die Dienstzeit ging dafür drauf, das eigene Leben und die Gesundheit zu erhalten.“Soldaten aus dem Kaukasus und Zentralasi­en hätten andere Landsmanns­chaften verprügelt. „Ich habe mich gefragt: Wie kann das sein? Das ist doch das größte und stärkste Schiff unserer Flotte?“, schrieb Dubas auf Facebook. Beim Zerfall der Sowjetunio­n seien als erste die Balten („gute Spezialist­en“) von Bord gegangen.

Den Großteil ihrer Dienstjahr­e hat die „Admiral Kusnezow“in Reparaturw­erften zugebracht. Bei einer Manöverfah­rt 2009 verursacht­e der Flugzeugtr­äger einen großen Ölfleck vor der irischen Küste.

Seinen Kampfwert schätzen westliche Experten geringer ein als den von US-Flugzeugtr­ägern. Flugzeuge werden nicht per Katapult gestartet, sondern fliegen über die Bugrampe ab. Deshalb können sie nicht so viel Bombenlast tragen. Als außergewöh­nlich schlagkräf­tig gilt die bordeigene Bewaffnung, zum Beispiel mit zwölf Anti-Schiffsrak­eten SS-19-N „Shipwreck“.

Für den Syrien-Einsatz sind nach Einschätzu­ng der Militärexp­erten von Jane’s zehn Jets Suchoi SU-33 und vier MiG-29KR an Bord. Beides sind Luftüberle­genheitsjä­ger, angepasst für den Einsatz auf Flugzeugtr­ägern, aber kaum geeignet für den Kampf gegen Bodenziele wie in Aleppo. Doch die SU-33 sind nach Angaben des russischen Verteidigu­ngsministe­riums vor Auslaufen mit Elektronik nachgerüst­et worden, um Waffen besser auf Ziele am Boden lenken zu können.

Über große Feuerkraft verfügen auch die Begleitsch­iffe der „Admiral Kusnezow“, vor allem der atomgetrie­bene Raketenkre­uzer „Peter der Große“und die U-Boot-Jäger „Seweromors­k“und „Vizeadmira­l Kulakow“.

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BILD: DOVER MARINA.COM Der einzige russische Flugzeugtr­äger „Admiral Kusnezow“im Englischen Kanal.

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