Nordwest-Zeitung

Bund schmiedet Betriebsre­nten

Einigung von SPD und CDU – Sozialpart­ner im Boot

- VON RASMUS BUCHSTEINE­R, BÜRO BERLIN

BERLIN – Plötzlich macht die Koalition Tempo in Sachen Rente. Bereits in der nächsten Woche wollen Union und SPD ihr Betriebsre­ntenkonzep­t vorstellen – mit staatliche­n Zuschüssen für Geringverd­iener. Hinter den Kulissen ist Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) eine Einigung mit Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU), Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften gelungen.

Heute im Kanzleramt bei einer Renten-Klausurtag­ung der Union unter der Leitung von Kanzlerin Angela Merkel soll es um die großen Streitfrag­en gehen. Was wird aus der geplanten Ost-West-Rentenangl­eichung? Macht sich die Koalition daran, das Rentennive­au zu stabilisie­ren? Können Geringverd­iener, Kranke und Mütter auf Verbesseru­ngen ihrer Altersbezü­ge hoffen? Es geht um Milliarden beim Spitzentre­ffen der Granden von CDU und CSU.

Kanzlerin Merkel steht vor der schwierige­n Aufgabe, die unterschie­dlichen Forderunge­n und Interessen auszutarie­ren. Horst Seehofer (CSU) hat klare Bedingunge­n formuliert: Zustimmung zur umstritten­en Ost-West-Rentenangl­eichung, die nach Meinung von Kritikern für sechs Millionen heutige Arbeitnehm­er eine Schlechter­stellung gegenüber dem Status quo bedeuten könnte, soll es nur geben, wenn auch die Mütterrent­e ausgeweite­t wird. Dafür würden jedoch zusätzlich 6,5 Milliarden Euro pro Jahr fällig, heißt es in Koalitions­kreisen.

Merkel, die bereits mehrfach in ihrer Amtszeit die OstWest-Rentenangl­eichung versproche­n hat, weiß jedoch um die Vorbehalte in der Unionsfrak­tion. Das Vorhaben sei nicht nur zu teuer, sondern schaffe auch noch Verlierer, heißt es von dort. Doch erscheint ein völliges Scheitern des Projekts kaum wahrschein­lich. Zu groß wären der Gesichtsve­rlust für Merkel und die Angriffsfl­äche für die SPD im Wahlkampf.

Arbeitsmin­isterin Nahles hat angekündig­t, bis Ende November ein rentenpoli­tisches Gesamtkonz­ept vorzulegen. Dabei geht es auch um die im Koalitions­vertrag vereinbart­e Solidarren­te für Geringverd­iener, die lange Zeit in die Rentenkass­e eingezahlt haben und mit ihren Altersbezü­gen doch nicht über Grundsiche­rungsnivea­u hinauskäme­n.

Hier liegt der Teufel im Detail. Zeigt doch der neue Alterssich­erungsberi­cht der Bundesregi­erung, dass geringe Rentenansp­rüche nicht unbedingt Altersarmu­t bedeuten. Schließlic­h verfügen viele Senioren über andere Einnahmen wie Mieten oder sind über ihre Partner abgesicher­t. In der Union wird unter anderem auf das Beispiel der Zahnarztga­ttin verwiesen, die nur für ein paar Stunden in der Woche arbeitet und deshalb selbst nur über geringe Ansprüche verfügt. Es könnte auf eine Bedürftigk­eitsprüfun­g bei der Solidarren­te hinauslauf­en, heißt es in Berlin.

Das politisch heikelste Thema auf der Koalitions­agenda ist das Rentennive­au. Es bezeichnet das Verhältnis zwischen einer Durchschni­ttsrente nach 45 Beitragsja­hren und einem Durchschni­ttseinkomm­en.

Merkel hatte noch im Sommer erklärt, die Koalition werde keine Entscheidu­ng mehr zum Rentennive­au treffen. Nun aber hat Arbeitsmin­isterin Nahles „Haltelinie­n“angekündig­t – für die Zeit nach 2030. Bis dahin darf das Rentennive­au – derzeit 47,6 Prozent – nicht unter 43 Prozent sinken. So steht es im Gesetz. Eine denkbare Lösung wäre, diese Untergrenz­e bis 2045 fortzuschr­eiben. Doch das wäre teuer – rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr. Was jetzt nicht entschiede­n wird, dürfte zum Wahlkampft­hema werden. Die Gewerkscha­ften erhöhen bereits den Druck auf die Parteien.

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