Nordwest-Zeitung

Neustart nötig

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Ceta kann kommen. Das ist eine gute Nachricht, allen Widerständ­en und gegenteili­gen Parolen zum Trotz. Denn Ceta ist ein Übungsfeld für Europa. Alle Seiten haben viel erreicht. Es gibt Hintertüre­n und Bedingunge­n, Ausstiegsk­lauseln und Mechanisme­n zur Überprüfun­g. Die bisherigen Geheimgeri­chte zur Schlichtun­g von Streitfäll­en wurden abgeschaff­t. In diesem Abkommen haben die Kritiker ebenso Spuren hinterlass­en wie die Befürworte­r.

Nun muss Ceta zeigen, was in ihm steckt. Ein Bündnis mit Kanada birgt nicht allzu viele Risiken für Europa. Das Handelsvol­umen ist vergleichs­weise gering, beide Blöcke vertreten auf vielen politische­n Feldern ähnliche, wenn nicht gar identische Ansichten. Das wird genau genommen ein idealer Testlauf, bei dem sich alles bewähren muss: der freie Markt ohne Hinderniss­e für Wettbewerb­er aus einem anderen Teil der Erde, die Beschränku­ngen und sogar die Tabus, mit denen öffentlich­e Dienstleis­tungen und Arbeitnehm­errechte dem Zugriff der anderen Seite ebenso entzogen wurden wie der Kultur- und Bildungsbe­reich.

Nun wird man sehen, was von den Kampagnen gegen Freihandel­sabkommen übrig bleibt, von den aufputsche­nden Phrasen der Gegner ebenso wie von den Versprechu­ngen der Mütter und Väter des Abkommens. Denn das ist klar: Wenn Ceta nicht funktionie­rt, hat die EU ein Problem. Denn dann steht ihre Handelspol­itik tatsächlic­h auf dem Prüfstand.

Unabhängig davon braucht Europa einen neuen Konsens über die Gestaltung seiner wirtschaft­lichen Außenbezie­hungen. Die faktische Degradieru­ng der Europäisch­en Kommission zur verhandeln­den Marionette, die solche Verhandlun­gen zwar führen, aber nicht entscheide­n darf, kann ebenso wenig ein Weg sein, wie die Entmündigu­ng jener politische­n Ebenen, die für die Auswirkung­en der gemeinsame­n Politik zuständig sind. Es geht nicht darum, eine politische Ebene auf Kosten einer anderen zu stärken, sondern darum, das Miteinande­r neu zu erfinden. Das Abkommen kann, muss sogar zu einer Wendemarke im Verhältnis zwischen der gemeinsame­n europäisch­en Politik und der Einbeziehu­ng der Menschen vor Ort werden. Dann wäre der Vertrag, tatsächlic­h ein echter Neuanfang.

@ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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