Neustart nötig
Ceta kann kommen. Das ist eine gute Nachricht, allen Widerständen und gegenteiligen Parolen zum Trotz. Denn Ceta ist ein Übungsfeld für Europa. Alle Seiten haben viel erreicht. Es gibt Hintertüren und Bedingungen, Ausstiegsklauseln und Mechanismen zur Überprüfung. Die bisherigen Geheimgerichte zur Schlichtung von Streitfällen wurden abgeschafft. In diesem Abkommen haben die Kritiker ebenso Spuren hinterlassen wie die Befürworter.
Nun muss Ceta zeigen, was in ihm steckt. Ein Bündnis mit Kanada birgt nicht allzu viele Risiken für Europa. Das Handelsvolumen ist vergleichsweise gering, beide Blöcke vertreten auf vielen politischen Feldern ähnliche, wenn nicht gar identische Ansichten. Das wird genau genommen ein idealer Testlauf, bei dem sich alles bewähren muss: der freie Markt ohne Hindernisse für Wettbewerber aus einem anderen Teil der Erde, die Beschränkungen und sogar die Tabus, mit denen öffentliche Dienstleistungen und Arbeitnehmerrechte dem Zugriff der anderen Seite ebenso entzogen wurden wie der Kultur- und Bildungsbereich.
Nun wird man sehen, was von den Kampagnen gegen Freihandelsabkommen übrig bleibt, von den aufputschenden Phrasen der Gegner ebenso wie von den Versprechungen der Mütter und Väter des Abkommens. Denn das ist klar: Wenn Ceta nicht funktioniert, hat die EU ein Problem. Denn dann steht ihre Handelspolitik tatsächlich auf dem Prüfstand.
Unabhängig davon braucht Europa einen neuen Konsens über die Gestaltung seiner wirtschaftlichen Außenbeziehungen. Die faktische Degradierung der Europäischen Kommission zur verhandelnden Marionette, die solche Verhandlungen zwar führen, aber nicht entscheiden darf, kann ebenso wenig ein Weg sein, wie die Entmündigung jener politischen Ebenen, die für die Auswirkungen der gemeinsamen Politik zuständig sind. Es geht nicht darum, eine politische Ebene auf Kosten einer anderen zu stärken, sondern darum, das Miteinander neu zu erfinden. Das Abkommen kann, muss sogar zu einer Wendemarke im Verhältnis zwischen der gemeinsamen europäischen Politik und der Einbeziehung der Menschen vor Ort werden. Dann wäre der Vertrag, tatsächlich ein echter Neuanfang.
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