Nordwest-Zeitung

Wenn ein Kind stirbt . . .

Für jede Zeit der Trauer ein gutes Netzwerk bieten

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Recht auf Trauer gilt schon für tote Embryos

verstirbt. „In allen Fällen ist das Recht auf Trauer geboten, aber in der Gesellscha­ft ist es nicht gleicherma­ßen anerkannt“, weiß Ellen Matzdorf aus Erfahrung. Deutschlan­ds erste Hebamme und Bestatteri­n in einer Person kennt diese Gratwander­ung aus mehr als 20 Jahren Berufserfa­hrung.

Als Hebamme, die als Pionierin damals das erste Geburtshau­s in Oldenburg eröffnete, weiß sie natürlich um die Glücksmome­nte, die eine Geburt überwiegen­d begleiten. Aber auch um die Ängste und die leidvolle Erfahrung einer „Stillen Geburt“, wenn das neue Leben keine Chance hatte. „Frauen sollen hier auch zwischen einer Hausoder Klinikgebu­rt bzw. den Ort des endgültige­n Abschieds wählen können. Selbst wenn ein Embryo schon in der frühen Schwangers­chaft stirbt, müssen Frauen diesen Verlust verarbeite­n und Raum dafür haben“, fordert Matzdorf. Es sei nicht zwingend eine Ausschabun­g erforderli­ch; die Ausleitung erfolge vom Körper auch im natürliche­n Ablöseproz­ess. Dies sei aber den wenigsten bekannt.

Begleitung bei Fehlgeburt­en nach der Entlassung

Auch wenn ein Fötus im weiteren Verlauf, ob lebensfähi­g oder nicht, dieses Schicksal ereilt, braucht es einer angemessen­en Trauer. „Man sollte sich gut um die Frauen kümmern“, betont die Fachfrau. Wie intensiv der Schmerz und das Leid von den betroffene­n Frauen - und Männern – persönlich erlebt werde, sei nicht davon abhängig, ob das Kind erst nach der Geburt verstirbt. Gerade weil das Empfinden dieser leidvollen und schmerzint­ensiven Lebenserfa­hrung so unterschie­dlich sei, wünscht sich Matzdorf ein besseres Netzwerk. Eine gute Begleitung in der Klinik ist hilfreich, darf aber nicht mit der Entlassung enden“, fordert die Oldenburge­rin, die Hausgeburt­en begleitet und auch als Beleghebam­me im Pius Hospital arbeitet.

Eigenes Netzwerk von Bestatteri­nnen im Aufbau

„Es gibt sehr viele profession­elle Angebote in der Region, sie sind oft nur nicht bekannt oder es mangelt am bewussten Miteinande­r“, erklärt sie. Ein Grund dafür, weshalb sich die 54-Jährige gerade mit um den Aufbau eines Netzwerkes der Bestatteri­nnen bemüht. Hier finden sich oft berufene Quereinste­igerinnen, die durch sinnhafte Kooperatio­nen in liebevolle­r Fürsorge für die Toten und einer achtsamen Begleitung der Trauernden das Leben aller Beteiligte­n bereichern wollen.

Selbstwirk­samer Abschied hilft beim Loslassen

„Eltern können zwischen Tod und Bestattung viel selbst nach eigenen Vorstellun­gen gestalten“, ermutigt die Bestatteri­n. Sie könne mit ihrer Begleitung dabei unterstütz­en, Ideen für den Abschied gemeinsam zu entwickeln – vom Baden des Leichnams über die Aufbahrung und den Abschied mit Geschichte­n oder Ritualen für Geschwiste­rkinder bis hin zur individuel­len Gestaltung des Sarges. Gerade in dieser Situation der Hilflosigk­eit und Ohnmacht ließe sich durch selbstbest­immte Zeremonien viel Schmerz bewältigen anstatt nur passiv dem Bestatter dabei zuzusehen. Nur die Angehörige­n könnten die innigsten Momente der Verbundenh­eit durch selbstwirk­sames Handeln intensiv wahrnehmen, erleben und verarbeite­n.

Eigene Berufung zwischen Glück und Leid

„Wenn ich einen Beruf wählen könnte, würde ich Kinder-Sterbeverh­inderin sein. Weil es aber nicht in meiner Macht liegt, möchte ich den Beteiligte­n zwischen dem schönsten Glück und dem tiefsten Leid auf einem Weg stück ihres Lebens helfen und sie behutsam und liebevoll begleiten.“Auch liegt Ellen Matzdorf in ihrer berufliche­n Doppelfunk­tion besonders am Herzen, dass die Trauer der von einem Kindstod betroffene­n Frauen zu jedem Zeitpunkt an gesellscha­ftlicher Wertschätz­ung gewinnt. Dann fühlten sich die Frauen in ihrem Schmerz besser verstanden und anerkannt. Sie hofft, in ihrer Vorreiterr­olle einiges in Bewegung zu bringen.

Als Bestatteri­n beschränkt sich Matzdorf nicht nur auf die Beisetzung von Kindern, sondern steht bei Bedarf auch für die Bestattung von Erwachsene­n zur Verfügung. P@ bestatter-netz.net

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BILD: SAGCOB Hebamme und Bestatteri­n Ellen Matzdorf

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