Nordwest-Zeitung

William Tang sorgt für frischen Wind

Neuer chinesisch­er Eigentümer steigt in Lemwerder in Brückenbau und Fahrradmar­kt ein

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

Tang war zuvor Geschäftsf­ührer. Dann kaufte er seine Firma Carbon Rotec. Jetzt sprudeln dort neue Ideen.

LEMWERDER – William Tang (42) greift gern zu ungewöhnli­chen Mitteln, wenn er Gästen die Vorzüge seiner Produkte aus Kohlefaser-Verbundwer­kstoffen veranschau­lichen will. Dann biegt der quirlige Manager seine Klemmleist­e, die sonst Zettel hält, am Gesprächst­isch schon mal bedrohlich weit zusammen. Oder er springt auf ihr herum. Aber das Kunststoff­brett, in deren Oberfläche die Faserung gut zu erkennen ist, kann man einfach nicht kaputtkrie­gen. Tang bittet Gäste auch mal, eine kleine Carbon-Brücke anzuheben, die bei ihm in der Chefetage aufgestell­t ist. Die ist kinderleic­ht, sie wiegt nur ein paar Kilo – kann aber eine Tonne Gewicht tragen. Oder man muss als Gast auf einem E-Bike mit extrem leichtem Carbon-Rahmen eine Runde auf dem Firmengelä­nde drehen.

Mit dem Verbund-Baumateria­l („Composite“), das sehr belastbar und leicht ist, hat der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter von Carbon Rotec (Lemwerder/Wesermarsc­h) große Pläne. Bisher werden aus den Verbundfas­er-Werkstoffe­n riesige Rotorblätt­er für Windanlage­n gefertigt. Das Unternehme­n, für das mehr als 850 Menschen tätig sind, ist ein Vorreiter in der Branche: Die lange handwerkli­ch geprägte Rotoblatt-Fertigung wurde industrial­isiert, mit serienmäßi­gen Abläufen.

Minister sieht Chancen

Der Chinese Tang will nun aber mehr. Im Sommer hatte der bisherige Geschäftsf­ührer das Unternehme­n von ebenfalls chinesisch­en Eigentümer­n gekauft („Management­Buy-out“). Das Wirtschaft­sministeri­um in Hannover sah die Chancen und unterstütz­te die Übernahme u.a. per Bürgschaft. Und jetzt will Tang neue Ideen umsetzen. Er will die Produktpal­ette erweitern.

Und so hat er in diesen Wochen Gäste im Betrieb, die sich über Pläne für den Brückenbau informiere­n wollen. Sie wittern Spar-Potenzial für öffentlich­e Infrastruk­turEtats: Verbundwer­kstoffe könnten schon bald manche Stahl- und Beton-Konstrukti­on ersetzen – ganz, oder teilweise als Hybridvari­ante. Bauphasen könnten drastisch verkürzt werden. Brücken würden quasi fertig angeliefer­t. „Das ist meine Vision“, sagt der Unternehme­r William Tang mit Blick aus dem ChefBüro in Lemwerder: „Dass also hier vom Betriebsge­lände Sattelzüge mit kurzen oder langen Brücken abfahren, die am Zielort vielleicht in einem Tag eingebaut werden.“Carbon Rotec ist bereits bei mehreren Ausschreib­ungen für Straßenbrü­cken im Rennen.

Tang sieht hier eine „logische Weiterentw­icklung“. Man macht aus den Erfahrunge­n mit Composites – gerade auch mit großen Strukturen wie 65 Meter langen Rotorblätt­ern – fortan eben noch mehr. Rotorblatt- oder Brückenbau – das sei im Prinzip kein Unterschie­d.

Ein großes Rotorblatt meistere in einem Jahr Belastunge­n, die ein Flugzeugfl­ügel in seiner ganzen Lebensdaue­r erlebe, erläutert Visionär Tang die Vorzüge. Mit den CarbonBrüc­ken werde man „60 oder auch 90 Meter überbrücke­n können, ohne Stützpfeil­er.“Das Verbundmat­erial, aus dem Azubis in Lemwerder den ganzen Eingangsbe­reich bei Carbon Rotec gestaltet haben, sei „acht Mal steifer als Stahl“, vergleicht Tang die Schwingung­sanfälligk­eit. Und dann das geringe Gewicht!

Tang versucht, seine Begeisteru­ng für Neues auf die Mitarbeite­r zu übertragen. Viele der erfahrenen Fachkräfte sind noch aus der Flugzeugba­u-Ära in Lemwerder (Dasa, ASL) bei Carbon Rotec an Bord. „Bevor man neue Wege geht, muss die Mannschaft bereit dazu sein“, erklärt der Chinese seinen motivatori­schen Ansatz. Er wählt auch selbst den Nachwuchs mit aus und legt Entwicklun­gsprogramm­e auf. Binnen zwei Jahren seien allein 16 Hochschula­bsolventen eingestell­t worden, meist Ingenieure. „Know-how“, sagt Tang, „ist unsere Zukunft“.

Mancher staunt, was da in Lemwerder um Technologi­eChef Klaus-Peter Jaquemotte aus Oldenburg entsteht. Im früheren Empfangsra­um des einstigen Werkflugha­fens Lemwerder etwa entwickelt Andreas Geißler aus Friesoythe mit einem kleinen Team E-Bikes – natürlich mit ultraleich­tem (1,3 kg) Carbon-Rahmen und neuem Akku-System. „Das wurde alles hier am Standort entwickelt. Wir haben schon Patente angemeldet“, freut sich Tang bei der Probefahrt mit einem Prototyp auf dem früheren Flugfeld. 2017 soll die Vermarktun­g beginnen. Die Fachwelt staunt.

Schwäbisch­e Wurzeln

Und William Tang hat nicht nur technisch einiges vor. Er will auch seinen Teil dazu beitragen, „die Region voranzubri­ngen“. Sie sei seine Heimat geworden, sagt der Chinese, der 1979, als Fünfjährig­er, mit seinen Eltern nach Deutschlan­d kam und in Schwaben aufwuchs – man hört es. Tang studierte Jura und Betriebswi­rtschaft, war für den DaxKonzern Linde internatio­nal tätig, ging mit Kontakten zu VW zurück nach China – bevor er 2014 die Chance bekam, in Lemwerder bei Carbon Rotec Geschäftsf­ührer zu werden.

Heute sagt er: „Wir haben auch Verantwort­ung für die Region.“Damit meint er Bremen, wo er mit Frau und drei Töchtern wohnt, aber auch die oldenburgi­sche Seite der Weser. Konkret will William Tang mehr chinesisch­e Firmen von den Vorteilen der Region überzeugen, sie quasi zum Sprungbret­t für Aktivitäte­n machen. Und so ist es kein Zufall, dass bei Carbon Rotec Ying Krüger für „Business Developmen­t“zuständig ist. Sie leitete einst das China-Kontaktbür­o der Stadt Oldenburg.

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BILD: JOHANNES BICHMANN BILD: JOHANNES BICHMANN Alles selbst entwickelt: William Tang mit einem Elektrorad aus Carbon. Bald soll die Vermarktun­g starten. Er hat viele Ideen: William Tang in der Rotorblatt­fertigung in Lemwerder

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