Bei ihr kommt’s auf die Mischung an
Brigitta Schulze van Loon ist Norddeutschlands einzige Brennerin
Die 54-Jährige hat ein Faible für feine Brände. Bis zur ersten marktreifen Flasche Gin sollte einige Zeit vergehen.
BREMEN – Gin kennen alle und mögen viele. Am liebsten mit Tonic-Wasser und gern als Cocktail. Puristen trinken den Schnaps mit dem dominanten Wacholderaroma auch unverdünnt. So geht das seit dem 17. Jahrhundert.
Damals probierten Engländer in den Niederlanden Genever und machten daraus in ihrer Heimat Gin, der je nach Herstellungsart und Zusätzen unterschiedlich heißt: London Dry Gin, Dry Gin, Old Tom Gin, Sloe Gin. Der einstige Arme-Leute-Fusel und spätere Upper-Class-Schnaps gehört standardmäßig in jede Bar. Doch lange kam Gin nicht hinaus über ein uncooles Oma-Image. Dies ist seit einigen Jahren Geschichte.
Kräuter und Gewürze
In Bars und auf Partys gilt Gin mittlerweile als In-Getränk. Inzwischen gibt es ein unüberschaubares Angebot an Sorten, und ein Ende ist nicht in Sicht. Von Sylt bis Bayern haben sich Schnapsbrenner und SpirituosenHändler auf regionale Gins spezialisiert. Darunter auch Birgitta Schulze van Loon, Gründerin von „Piekfeine Brände“in Bremen.
In ihrer kleinen Destillerie, die die einzige Brennerin Norddeutschlands seit fünf Jahren in einem ehemaligen Weinlager in der Überseestadt betreibt, stellt die blonde 54-Jährige unter anderem einen London Dry Gin her. Man riecht sofort, dass der „Triple Peak“, so hat Birgitta Schulze van Loon das Destillat genannt, nur wenig gemein hat mit einer Gin-Billigmarke. Denn den charakteristischen Wacholderduft überlagern frische Zitrusnoten und Wildfrüchte.
Das Gleiche gilt für den Geschmack: Wacholder und Bergamotte bilden eine harmonische Einheit. Der Gin ist trotz des Alkolholgehalts von 44 Prozent mild, und im Abgang meldet sich der Earl-Grey-Tee, der mit destilliert wurde. Dazu kommen Fenchel- und Koriandersamen, Hibiskusblüten sowie norddeutsche Wildfrüchte wie Holunder, Hagebutte, Sanddorn plus viele weitere Botanicals, also Kräuter und Gewürze. Bei dieser Aromenvielfalt wird man beinahe automatisch zum GinPuristen und verzichtet auf Tonic oder dergleichen.
Der Unterschied hat seinen Preis. Während eine 0,7-LiterFlasche des 08/15-Gins für knapp 13 Euro zu haben ist, kostet ein halber Liter des handdestillierten Premiumgins bei „Piekfeine Brände“34,80 Euro.
„Das genaue Rezept verrate ich aber nicht“, sagt Birgitta Schulze van Loon. Die gebürtige Bremerin und zweifache Mutter, die nach einer Karriere als Unternehmensberaterin ihre Leidenschaft fürs Obstdestillatbrennen zum Beruf gemacht hat, wollte mit der Gin-Herstellung ihr Sortiment ergänzen. Dies besteht aus über 30 Sorten Obstbränden, Geiste, Likören und einem Single Malt Whisky. Demnächst kommt auch ein Rum ins Programm.
Allerdings sollten bis zur ersten marktreifen Flasche „Triple Peak“anderthalb Jahre und ein gutes Dutzend TestDestillate vergehen. „Das Rezept ist die eigentliche Herausforderung. Zuerst muss man die geeigneten Botanicals finden und dann die richtige Mischung.“Birgitta Schulze van Loon hat ungezählte Stunden an ihrer TischDestille im gläsernen Tastingraum verbracht sowie an der großen Destille.
Sie hat gelernt, dass zu viel Sanddorn zu muffigen Ergebnissen führt. Sie hat mit Lemongras experimentiert und es wieder sein lassen. Und als sie den 96-prozentigen reinen Alkohol, der in der Regel aus Getreide gewonnen wird, durch ein entsprechendes Weindestillat ersetzt hatte, blieb sie dabei. Dadurch erhielt der Gin die Milde, die die Chefin haben wollte.
Extra weiches Wasser
Seitdem das Rezept steht, ist der Rest quasi ein Kinderspiel. Birgitta Schulze van Loon und ihre fünf Mitarbeiter legen eine exakt festgelegte Botanical-Menge einige Tage in 100 Liter einer AlkoholWassermischung ein. Das Mazerat wird dann in der kupfernen Destille sehr langsam erhitzt. Der siedende Alkohol steigt als Dampf auf, wird durch ein Kühlsystem geleitet, um dann in kondensierter Form über die sogenannte Vorlage in einen Edelstahleimer zu fließen. 100 Liter Flüssigkeit ergeben rund 40 Liter 80-prozentigen Gin. Mit extra weichem Wasser verdünnt die Brennerin ihren Gin auf Trinkstärke und füllt ihn anschließend in Flaschen ab.
Im Vergleich mit anderen hiesigen GinSorten ist der „Triple Peak“von der Weser ein Geheimtipp. Trotzdem sei ihr Gin von Anfang an gut gelaufen, sagt Birgitta Schulze van Loon. Auch ihre Gin-Tastings und Gin-Workshops, die sie regelmäßig in ihrem Geschäft veranstaltet, seien gut besucht.
Bei der Vermarktung sieht die Diplom-Kauffrau indes noch Luft nach oben. Derzeit bestellen überwiegend Privatleute den Gin. Um den Absatz anzukurbeln, müsste sie auch die Barszene und den Handel auf sich aufmerksam machen, weiß die Unternehmerin, etwa durch Besuche der einschlägigen Messen. Und schon seit längerer Zeit denkt sie über ein zweites Gin-Rezept nach.