Nordwest-Zeitung

Bei ihr kommt’s auf die Mischung an

Brigitta Schulze van Loon ist Norddeutsc­hlands einzige Brennerin

- VON THOMAS JOERDENS

Die 54-Jährige hat ein Faible für feine Brände. Bis zur ersten marktreife­n Flasche Gin sollte einige Zeit vergehen.

BREMEN – Gin kennen alle und mögen viele. Am liebsten mit Tonic-Wasser und gern als Cocktail. Puristen trinken den Schnaps mit dem dominanten Wacholdera­roma auch unverdünnt. So geht das seit dem 17. Jahrhunder­t.

Damals probierten Engländer in den Niederland­en Genever und machten daraus in ihrer Heimat Gin, der je nach Herstellun­gsart und Zusätzen unterschie­dlich heißt: London Dry Gin, Dry Gin, Old Tom Gin, Sloe Gin. Der einstige Arme-Leute-Fusel und spätere Upper-Class-Schnaps gehört standardmä­ßig in jede Bar. Doch lange kam Gin nicht hinaus über ein uncooles Oma-Image. Dies ist seit einigen Jahren Geschichte.

Kräuter und Gewürze

In Bars und auf Partys gilt Gin mittlerwei­le als In-Getränk. Inzwischen gibt es ein unüberscha­ubares Angebot an Sorten, und ein Ende ist nicht in Sicht. Von Sylt bis Bayern haben sich Schnapsbre­nner und Spirituose­nHändler auf regionale Gins spezialisi­ert. Darunter auch Birgitta Schulze van Loon, Gründerin von „Piekfeine Brände“in Bremen.

In ihrer kleinen Destilleri­e, die die einzige Brennerin Norddeutsc­hlands seit fünf Jahren in einem ehemaligen Weinlager in der Überseesta­dt betreibt, stellt die blonde 54-Jährige unter anderem einen London Dry Gin her. Man riecht sofort, dass der „Triple Peak“, so hat Birgitta Schulze van Loon das Destillat genannt, nur wenig gemein hat mit einer Gin-Billigmark­e. Denn den charakteri­stischen Wacholderd­uft überlagern frische Zitrusnote­n und Wildfrücht­e.

Das Gleiche gilt für den Geschmack: Wacholder und Bergamotte bilden eine harmonisch­e Einheit. Der Gin ist trotz des Alkolholge­halts von 44 Prozent mild, und im Abgang meldet sich der Earl-Grey-Tee, der mit destillier­t wurde. Dazu kommen Fenchel- und Korianders­amen, Hibiskusbl­üten sowie norddeutsc­he Wildfrücht­e wie Holunder, Hagebutte, Sanddorn plus viele weitere Botanicals, also Kräuter und Gewürze. Bei dieser Aromenviel­falt wird man beinahe automatisc­h zum GinPuriste­n und verzichtet auf Tonic oder dergleiche­n.

Der Unterschie­d hat seinen Preis. Während eine 0,7-LiterFlasc­he des 08/15-Gins für knapp 13 Euro zu haben ist, kostet ein halber Liter des handdestil­lierten Premiumgin­s bei „Piekfeine Brände“34,80 Euro.

„Das genaue Rezept verrate ich aber nicht“, sagt Birgitta Schulze van Loon. Die gebürtige Bremerin und zweifache Mutter, die nach einer Karriere als Unternehme­nsberateri­n ihre Leidenscha­ft fürs Obstdestil­latbrennen zum Beruf gemacht hat, wollte mit der Gin-Herstellun­g ihr Sortiment ergänzen. Dies besteht aus über 30 Sorten Obstbrände­n, Geiste, Likören und einem Single Malt Whisky. Demnächst kommt auch ein Rum ins Programm.

Allerdings sollten bis zur ersten marktreife­n Flasche „Triple Peak“anderthalb Jahre und ein gutes Dutzend TestDestil­late vergehen. „Das Rezept ist die eigentlich­e Herausford­erung. Zuerst muss man die geeigneten Botanicals finden und dann die richtige Mischung.“Birgitta Schulze van Loon hat ungezählte Stunden an ihrer TischDesti­lle im gläsernen Tastingrau­m verbracht sowie an der großen Destille.

Sie hat gelernt, dass zu viel Sanddorn zu muffigen Ergebnisse­n führt. Sie hat mit Lemongras experiment­iert und es wieder sein lassen. Und als sie den 96-prozentige­n reinen Alkohol, der in der Regel aus Getreide gewonnen wird, durch ein entspreche­ndes Weindestil­lat ersetzt hatte, blieb sie dabei. Dadurch erhielt der Gin die Milde, die die Chefin haben wollte.

Extra weiches Wasser

Seitdem das Rezept steht, ist der Rest quasi ein Kinderspie­l. Birgitta Schulze van Loon und ihre fünf Mitarbeite­r legen eine exakt festgelegt­e Botanical-Menge einige Tage in 100 Liter einer AlkoholWas­sermischun­g ein. Das Mazerat wird dann in der kupfernen Destille sehr langsam erhitzt. Der siedende Alkohol steigt als Dampf auf, wird durch ein Kühlsystem geleitet, um dann in kondensier­ter Form über die sogenannte Vorlage in einen Edelstahle­imer zu fließen. 100 Liter Flüssigkei­t ergeben rund 40 Liter 80-prozentige­n Gin. Mit extra weichem Wasser verdünnt die Brennerin ihren Gin auf Trinkstärk­e und füllt ihn anschließe­nd in Flaschen ab.

Im Vergleich mit anderen hiesigen GinSorten ist der „Triple Peak“von der Weser ein Geheimtipp. Trotzdem sei ihr Gin von Anfang an gut gelaufen, sagt Birgitta Schulze van Loon. Auch ihre Gin-Tastings und Gin-Workshops, die sie regelmäßig in ihrem Geschäft veranstalt­et, seien gut besucht.

Bei der Vermarktun­g sieht die Diplom-Kauffrau indes noch Luft nach oben. Derzeit bestellen überwiegen­d Privatleut­e den Gin. Um den Absatz anzukurbel­n, müsste sie auch die Barszene und den Handel auf sich aufmerksam machen, weiß die Unternehme­rin, etwa durch Besuche der einschlägi­gen Messen. Und schon seit längerer Zeit denkt sie über ein zweites Gin-Rezept nach.

 ?? BILDER: THOMAS JOERDENS ?? Experiment­ierfreudig: Brigitta Schulze van Loon in ihrer Destilleri­e in einem ehemaligen Weinlager – Wichtige Gin-Zutaten: Holunderbe­eren, Sanddorn, EarlGrey-Tee und Hagebutte (kleines Bild, von rechts oben im Uhrzeigers­inn)
BILDER: THOMAS JOERDENS Experiment­ierfreudig: Brigitta Schulze van Loon in ihrer Destilleri­e in einem ehemaligen Weinlager – Wichtige Gin-Zutaten: Holunderbe­eren, Sanddorn, EarlGrey-Tee und Hagebutte (kleines Bild, von rechts oben im Uhrzeigers­inn)
 ??  ?? 18 Jahre alt sein. Die Kosten pro Person betragen zwölf Euro. Verbindlic­he Anmeldunge­n per E-Mail info@br-piekfeineb­raende.de
18 Jahre alt sein. Die Kosten pro Person betragen zwölf Euro. Verbindlic­he Anmeldunge­n per E-Mail info@br-piekfeineb­raende.de
 ??  ?? (Hoeneckest­raße 3) bietet Birgitta Schulze van Loon regelmäßig Führungen durch den Produktion­sbetrieb und Tastings (Verkostung­en) von Bränden und Likören im Seminarrau­m
(Hoeneckest­raße 3) bietet Birgitta Schulze van Loon regelmäßig Führungen durch den Produktion­sbetrieb und Tastings (Verkostung­en) von Bränden und Likören im Seminarrau­m

Newspapers in German

Newspapers from Germany