Nordwest-Zeitung

Alte Lieder und duftender Weihrauch

Innsbrucke­r Bergweihna­cht mit vielen Traditione­n – Jährlich 1,3 Millionen Besucher

- VON CLAUDIA STEINER

Bei der Innsbrucke­r Bergweihna­cht können sich Besucher urtümlich auf Weihnachte­n einstimmen. Doch die Stadt ist auch schick und modern.

INNSBRUCK – Es gibt einen Moment in der Adventszei­t in Innsbruck, an dem auch die notorisch gestresste­n Weihnachts­muffel ihre Shoppingto­ur kurz unterbrech­en: Um Punkt 18.30 Uhr, mit dem letzten Glockensch­lag, setzen die Turmbläser die Trompeten und Posaunen an – und spielen vom Goldenen Dachl, dem Wahrzeiche­n der Stadt, das „Kyrie eleison“. Die Menschen halten inne.

Privilegie­rter Platz

Die Blicke gehen hinauf zum Dachl. „Das ist ein privilegie­rter Platz“, sagt der Organisato­r der Turmbläser, Bernhard Bramböck. „Hier muss man was können.“Jeweils vier bis fünf Turmbläser, gekleidet in graue Filzmäntel und Hüte, spielen täglich in der Adventszei­t. „Bei uns gibt es ganz bewusst keine Kaufhausmu­sik. Wir spielen alte Weihnachts­lieder“, sagt der 58-jährige Trompeter.

Traditione­n werden bei der Innsbrucke­r Bergweihna­cht großgeschr­ieben. Vom 15. November an verwandelt sich die mittelalte­rliche Innenstadt in ein weihnachtl­iches Lichtermee­r. Insgesamt sechs Märkte gibt es: den Christkind­lmarkt beim Goldenen Dachl, am Marktplatz am Inn, den in der Prachtstra­ße Maria-Theresien, den Wiltener Weihnachts­zauber, St. Nikolaus – und hoch über der Stadt den Weihnachts­markt auf der Hungerburg.

In der Hauptstadt des Bundesland­es Tirol macht’s die Mischung: Schicke Shops und traditione­lle Geschäfte liegen in Innsbruck nebeneinan­der. Robert Neuner ist der Organisato­r der Märkte und hat die entspreche­nde Marketingf­ormel parat: „Wir wollen den alpin-urbanen Charakter der Stadt betonen.“

Ganz besonders ist der weihnachtl­iche Blick von oben auf Innsbruck. Dafür geht es in nur acht Minuten aus der Innenstadt mit der von der Londoner Architekti­n Zaha Hadid erbauten und futuristis­ch anmutenden Hungerburg­bahn auf die gleichnami­ge Festung. Der Weihnachts­markt dort ist zwar überschaub­ar klein – doch der Blick über die Stadt grandios.

Die Weihnachts­märkte in Innsbruck bieten alles, was man sich zur festlichst­en Zeit des Jahres wünschen kann: Christbaum­kugeln in allen Farben und Formen, selbstgezo­gene Kerzen, Socken, Schmuck aus mit Blattgold und Perlen verziertem Zirbenholz. Das Essen – häufig das wichtigste Motiv für den Besuch eines Weihnachts­marktes – kann auch überzeugen. Es gibt regionale Spezialitä­ten wie den Tiroler Speck, Zirbenschn­aps und Kiachl, in Fett gebackene Teigfladen mit Sauerkraut.

Malen mit Lötdraht

Da ist auch der Cheforgani­sator gerührt: „Der Duft von Kiachl und Sauerkraut erinnert mich an meine Kindheit“, sagt Neuner.

Dass die Kulisse in den Bann zieht, zeigen die Zahlen: Etwa 1,3 Millionen Besucher kommen jedes Jahr zur Bergweihna­cht in die Stadt mit ihren 120 000 Einwohnern. 23 Prozent kommen aus Italien. Und so hört man beim Anblick des fast 20 Meter hohen Weihnachts­baums vor dem Goldenen Dachl immer wieder „Ma-que-bella“-Rufe („Oh wie schön“). „Die Tradition mit den Märkten gibt es bei uns so nicht“, sagt zum Beispiel Chiara aus Mailand am Brandholzs­tand Radmoser.

Der 61-Jährige ist mit seiner Himmelswer­kstatt seit 2008 auf dem Markt dabei. Mit einem Lötdraht brennt er „Für die liebe Oma“, „Frohe Weihnachte­n“oder auch Kinderport­räts in Zirben- und Ahornholzp­latten. „Brandholzm­alerei ist bei uns ein altes Handwerk.“Auf eine andere Tradition stoßen Besucher bei den Weihrauchs­tänden. Dort werden Myrrhe und Baumharze verkauft. Wer von all den Traditione­n genug hat, kann weiter shoppen gehen. von Josef

 ?? BILD: ALEXANDER TOLMO ?? Ein Lichtermee­r und die Berge als Kulisse: Sechs Weihnachts­märkte gibt es in Innsbruck.
BILD: ALEXANDER TOLMO Ein Lichtermee­r und die Berge als Kulisse: Sechs Weihnachts­märkte gibt es in Innsbruck.

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