Nordwest-Zeitung

Endlich raus aus dem Hamsterrad

Moderator Ulrich Meyer hört Ende 2016 auf – Claus Strunz übernimmt die „Akte“

- VON CARSTEN RAVE

Der 60-jährige Meyer gehört zu den bekanntest­en Gesichtern des frühen Privatfern­sehens. Mehr als 1000 Mal moderierte er das Magazin „Akte“auf Sat 1.

BERLIN – Anfang der neunziger Jahre drückten Bildschirm­figuren wie Barbara Eligmann, Hugo Egon Balder oder Hans Meiser dem jungen Privatfern­sehen ihren Stempel auf. Zu der Avantgarde der ehrgeizige­n neuen Generation von TV-Parvenus gehörte auch der Kölner Ulrich Meyer. Mit seinem Abgang vom Sat 1-Magazin „Akte“, das er seit 1995 mehr als 1000 Mal moderierte, geht nun eine Ära im deutschen Privat-TV zu Ende.

Meyer, draufgänge­risch, redegewand­t und mit direktem Blick der Kamera verhaftet, eroberte ab Januar 1989 die Herzen derjenigen Zuschauer, die mal eine bunte Abwechslun­g zu den wohlbekann­ten Riten des öffentlich-rechtliche­n Fernsehens suchten. Meyer präsentier­te auf RTLplus den Talk „Explosiv – Der heiße Stuhl“. Unter anderem saß auf ihm Filmemache­r Rosa von Praunheim, der 1991 die TVGrößen Hape Kerkeling und Alfred Biolek als homosexuel­l outete.

Für einen Medien-Knall sorgte Meyers Wechsel von RTL zum Erzrivalen Sat1 im Jahr 1992, wo er mit „Einspruch!“ein ähnliches Format wie zuvor auf RTL startete – für Kritiker gehörte der Journalist damals zu Erfindern des neuen „Krawall-Talks“, der als laut und effekthasc­herisch, aber wenig ergebnisre­ich kritisiert wurde. Der geschäftst­üchtige Meyer beließ es nicht bei der Diskussion­sshow, er entwickelt­e Mitte der neunziger Jahre mit der „Akte“ein verbrauche­raffines Magazin.

Noch heute erinnert sich Meyer gern an Rauschgift­funde im Bundestag, aufgedeckt von seiner „Akte“. Der TVMann, der in zweiter Ehe mit der Journalist­in Georgia Tornow (68) verheirate­t ist, nennt dieses Ereignis den „spektakulä­rsten Erfolg“. Dafür erntete er die „Empörung des Ältestenra­tes“und ein Hausverbot „in allen Liegenscha­ften des Deutschen Bundestage­s, das wir vor Gericht aber abschmette­rn konnten“, wie er sich erinnert. Als nützlich erwies sich sein Magazin aber besonders, wenn er Internetbe­trügern oder teuren Schlüsseld­iensten auf die Schliche kam.

Jetzt verabschie­det sich Meyer, nicht weil er seine Sendung angesichts starker Konkurrenz, auch aus dem Netz, für überholt halten würde, sondern aus persönlich­en Motiven. „Ich werde Weihnachte­n 61 Jahre alt und bin damit raus aus allen Zielgruppe­n des Privatfern­sehens“, sagt er. „Das soll man auch als Moderator ernstnehme­n. Ich bin überzeugt, dass ein neues Gesicht der Sendung gut tun wird.“Fast jeden Dienstag habe er live im Studio gestanden, auch als Produzent werde er abtreten. „So toll ein Dauerläufe­r-Format für einen Produzente­n ist – irgendwann muss man raus aus dem Hamsterrad.“Claus Strunz (50) wird sein Nachfolger.

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BILD: DPA Vollziehen einen Wechsel: die Moderatore­n Claus Strunz (links) und Ulrich Meyer

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