Studienreisen sind nicht nur etwas für Lehrer
Tourismus-Unternehmer Ury Steinweg über Image und Trends von Studien- und Erlebnisreisen
Studienreisen sind typisch deutsch. Das sagt Ury Steinweg, Geschäftsführer von Gebeco. Der Veranstalter gehört mit 60 000 Gästen und 116 Millionen Euro Umsatz zu den Branchengrößen.
FRAGE: Bei Studienreisen denken viele an Lehrer. Ein Vorurteil? STEINWEG: Wir bieten Reisen für Kulturinteressierte an. Sicherlich sprechen wir damit auch Lehrer und diejenigen an, die früher zum Bildungsbürgertum gehörten – aber nicht nur. Lehrer sind ja zeitlich limitiert, bei ihrer Urlaubsplanung also konzentriert sich alles auf die Ferienzeiten. Unser Angebot aber ist ganzjährig. FRAGE: Und wenn ich mit meinem Verein oder meiner Firma los will? STEINWEG: Auch das organisieren wir. Ganz wichtig für uns sind zum Beispiel Bauernverbände, die vor Ort andere Bauern zu einem Schwerpunktthema treffen. Auch das sind Studienreisen. FRAGE: Noch ein Vorurteil: Studienreisen sind was typisch Deutsches ... STEINWEG: Das stimmt. Studienreisen sind in den 1920er Jahren von Dr. Tigges entwickelt worden. Dieses Hinterdie-Kulissen-gucken ist tatsächlich typisch deutsch, in anderen Kulturkreisen kennt man das praktisch nicht. Unsere Gäste wollen ein Land in all seinen Facetten kennenlernen – Kultur, wirtschaftliche Zusammenhänge, Religion. FRAGE: Wie wichtig ist der Preis? STEINWEG: Das Primäre ist: Wo fühle ich mich wohl? Und wo fühle ich mich sicher? FRAGE: Also schauen Sie die Nachrichten mit feuchten Händen? STEINWEG: Ja, das ist eine Pflichtsendung für mich. Wir sind von jeder Krise betroffen, weil wir Reisen in über 100 Länder anbieten. Das betrifft die Sicherheit, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen. Nehmen wir den Brexit – im Augenblick boomt Großbritannien, weil der Wechselkurs für uns günstig ist und das Land als sicher empfunden wird. FRAGE: Was sind mit Blick auf die Ziele die aktuellen Trends? STEINWEG: Islamische Länder verlieren aufgrund der subjektiv empfundenen Angst. Gewinner sind vor allem Ziele in Westeuropa und Nordamerika. Russland ist auch wieder im Kommen – da tritt der politische Aspekt in den Hintergrund. Zurzeit läuft das südliche Afrika wie geschmiert, aber auch Island, die Iberische Halbinsel und Italien, also die Klassiker. Dazu kommt bei uns die Kreuzfahrt, die wir kombinieren mit einer Erlebnisreise. Wir bieten zwei Urlaubsformen aus einer Hand – mit Veranstalterhaftung. Wenn etwas schief läuft, haften wir, egal, was die Ursache ist. Dieses Gesamtpaket wird sehr gut angenommen. FRAGE: Also eine Kreuzfahrt gleich im Anschluss an die Studienreise? STEINWEG: Ja. Viele Gäste buchen nach einer Studienreise den Badeurlaub. Nun kommt die Kreuzfahrt als Alternative hinzu. Auch wenn nur 1,5 Prozent der Deutschen eine Kreuzfahrt buchen – das ist der Markt, der überhaupt noch wächst und zwar ganz massiv. FRAGE: Wann entscheiden die Leute, wohin sie fahren? STEINWEG: Ab November überlegen sich die meisten, was sie im nächsten Jahr machen wollen. Das wird oft auch am Weihnachtstisch entschieden. Und spätestens im Januar müssen die meisten ihren Urlaub einreichen.