Nordwest-Zeitung

MEDIEN

Übergröße und Achselhaar – Bewertung weiblichen Ausssehens hat im Fernsehen Konjunktur

- VON HANNAH WAGNER

Bei „Germany9s Ne:t To;model< haben Heidis M=dels stets ein niedriges Kör;ergewicht, lange Beine und einen >lachen Bauch. Das ru>t Kritiker au> den ?lan.

BERLIN – Als Kandidatin Maja zu Beginn der diesjährig­en Staffel von „Germany’s Next Topmodel“vor die Jury trat, konnte Moderatori­n und Produzenti­n Heidi Klum (43) ihre Fassungslo­sigkeit kaum verbergen. Sie wisse gar nicht, wo sie zuerst hinsehen solle, erklärte sie: auf Majas Kleid, das aussehe „wie ein Lampenschi­rm“, oder auf „diese langen Haare unter deinen Achseln“. Sie könne ihre Achselbeha­arung gerne abrasieren, wenn Klum das nicht gefalle, erklärte die mittlerwei­le 20Jährige

– doch die Modelmama war noch immer völlig perplex. „Wow. Und da sagt keiner irgendwas?“, wollte sie von der Schülerin wissen. „Nee, was sollen die denn sagen?“, fragte die schlagfert­ig, aber auch sichtlich verunsiche­rt zurück.

Im Showfinale am Donnerstag­abend sollte Klum zum zwölften Mal Deutschlan­ds schönstes Mädchen küren. Die vier Finalistin­nen Céline, Serlina, Leticia und Romina sind zwischen 18 und 22 Jahren alt, groß, sehr dünn – und unter den Achseln rasiert. Seit der ersten Staffel im Jahr 2006 werfen Kritiker der ProSieben-Castingsho­w immer wieder ein zu starres Schönheits­ideal vor. Denn Heidis Mädels haben stets ein niedriges Körpergewi­cht, lange Beine und einen flachen Bauch.

Frauen unzufriede­n

Schauspiel­erin Nora Tschirner (35) hält das – ebenso wie einschlägi­ge Bilder aus Frauen- und Modezeitsc­hriften – für gefährlich: „Wenn du viele von den gleichen Bildern siehst, kannst du noch so sehr wissen, dass es nicht echt ist, die pflanzen sich trotzdem in einen Teil deines Gehirns“, sagte Tschirner.

Vor Kurzem wurde der von ihr mitproduzi­erte Dokumentar­film „Embrace“veröffentl­icht, der die Australier­in Taryn Brumfitt dabei begleitet, wie sie herauszufi­nden versucht, weshalb so viele Frauen auf der Welt unzufriede­n mit ihrem Körper sind. Für Tschirner liegt die Antwort auf diese Frage in der heutigen Leistungsg­esellschaf­t: „Es ist, glaube ich, so, dass wir als Gesellscha­ft ein bisschen verlernt haben, das Wort ,genug‘ zu verstehen.“In dem Sinne: „Guck, da hat sich die Natur schon was bei gedacht.“

Doch die Bewertung weiblicher Schönheit im Fernsehen hat weiter Konjunktur und das nicht nur durch „Germany’s Next Topmodel“. Vor einem Jahr hat der Sender RTL II die Castingsho­w „Curvy Supermodel“ins Leben gerufen, bei der fülligere Frauen um einen Vertrag bei einer Modelagent­ur kämpfen; sie geht im Juli in die zweite Runde. „Der TV-Wettbewerb für Models mit gesunden Rundungen erweitert das gängige Schönheits­ideal und zeigt, dass sich Schönheit nicht mit dem Maßband messen lässt“, heißt es beim Sender.

Mehr Akzeptanz

Ein Schritt in Richtung mehr Akzeptanz von Frauenkörp­ern, die nicht der 90-6090-Norm entspreche­n? Nein, findet Plus-Size-Model und Mode-Bloggerin Luciana Blümlein (27): Das Format sei „vielleicht gut gemeint“, doch in vielen Punkten schlecht umgesetzt. Unter anderem störe es sie, dass die Sendung Kandidatin­nen zeige, die aufgrund ihres Gewichts ein niedriges Selbstwert­gefühl haben: „Wenn man bei ,Curvy Supermodel‘ immer wieder nur Frauen zeigt, die sich selbst hassen, ist das definitiv nicht der richtige Weg.“

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DPA-BILD: MARKS Kämpft gegen das alte Schönheits­ideal: Nora Tschirner

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