„Kühl analysieren – statt schärfere Gesetze“
Niedersachsens Innenminister Pistorius warnt angesichts des neuerlichen Terroranschlags vor Angstmacherei
FRAGE: -i$ $euer Terrora$schlag hat Lo$do$ erschüttert( trotz massivster Sicherheitsvorkehru$ge$+ -i$e .ar$u$g( dass -/tremiste$ auch i$ Deutschla$d 0ederzeit 1ieder zuschlage$ kö$$te$2 PISTORIUS: Ja, das muss uns klar sein. Dieser Anschlag ist dabei aber eher eine weitere böse Erinnerung als eine Warnung. Er zeigt, dass wir es nicht immer schaffen werden, zu allem bereite Terroristen vom schlimmsten abzuhalten. Selbst in einem hochgerüsteten London mit Kameras, Straßensperren und Polizei an jeder Ecke. Wenn diese feigen Mörder aufgeladen sind mit ihrer Ideologie, sind sie kaum zu stoppen. Wir müssen deshalb noch sehr viel mehr darin investieren, dass es nicht soweit kommt. Und hier muss die freie, demokratische Welt enger zusammenrücken anstatt in Nationalstaaterei zu verfallen. FRAGE: .ie soll das ko$kret erreicht 1erde$2 PISTORIUS: Radikalisierung verläuft heute viel über das Internet und ist damit international. Ich fordere einen stärkeren Austausch über Antiradikalisierungsprojekte auf europäischer und internationaler Ebene und eine abgestimmte Definition von Gefährdern. Unsere Haltung muss von Stärke, Zusammenhalt und auch einer Portion Trotz geprägt sein – indem wir erst recht so weiterleben, wie wir es wollen! FRAGE: 3esetzliche$ 4a$dlu$gs&edarfsehe$Sie$icht2 PISTORIUS: Wer – wie viele in der Union – den Eindruck erweckt, man müsse nur Gesetze verschärfen, bestimmte Gruppen ausgrenzen und Grenzen schließen, um Sicherheit zu gewährleisten, führt die Menschen in die Irre. Die CDU stellt im Bund seit zwölf Jahren den Innenminister. Ich frage mich langsam, wann sie anfangen, all diese Gesetze nicht nur zu fordern, sondern auch anzuwenden. Wir müssen vernünftig bleiben und in diesem wichtigen Thema Entschlossenheit demonstrieren und uns kühl und analytisch verhalten. Im Wahlkampf Ängste zu schüren, so wie zuletzt die CDU sehr offensiv in NRW, liefert jedenfalls keine Antworten auf die wichtigen Fragen in diesem Bereich. FRAGE: .o muss aus Sicht der SPD &ei der I$$ere$ Sicherheit $achgelegt 1erde$2 PISTORIUS: Wir müssen beispielsweise die Prävention verbessern, damit sich weniger junge Leute radikalisieren, die zum Teil hier geboren sind. Da sind wir alle gefragt, Politik, aber auch die Schulen, Vereine und das persönliche Umfeld. Wir müssen außerdem die Polizei stärken und die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene verbessern, etwa durch eine Art europäisches FBI bei Europol. FRAGE: 5ür ei$ europ6isches 57I müsste$ die 8itgliedstaate$ ihre I$formatio$e$ teile$ – 1ogege$ sie sich e$ergisch 1ehre$+ Ist ihr 9orsto: $icht ei$e )e&elkerze2 PISTORIUS: Der Plan ist ambitioniert, aber alternativlos. Der gegenwärtige Zustand ist untragbar. Im Europäischen Anti-Terror-Zentrum bei Europol macht nur eine Handvoll Länder mit! Die anderen Mitgliedstaaten bleiben lieber auf ihren eigenen Informationen hocken. So können wir Kriminalität und Terror im Schengen-Raum bereits jetzt und auch zukünftig nicht effektiv bekämpfen. Kriminellen sind die Grenzen herzlich egal, das ist bei moderneren Deliktsformen im Cyberraum oder auch bei reisenden Einbrecherbanden erst recht so. Das FBI ist aus der Erkenntnis geboren worden, dass gegen bestimmte Formen schwerer Kriminalität nicht von den US-Staaten alleine effektiv
vorgegangen werden kann. So ist es auch im SchengenRaum, weil es an den Binnengrenzen keine Kontrollen gibt. FRAGE: )ach dem ;$schlag i$ Ka&ul 1erde$ die ;&schie&u$ge$ $ach ;fgha$ista$ gestoppt+ -i$ richtiges Sig$al2 PISTORIUS: Die Reaktion auf den jüngsten Anschlag in Kabul vor der deutschen Botschaft ist politisch naheliegend, aber nicht ganz ehrlich. Viele Bundesländer waren schon vorher sehr zurückhaltend. Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren sehr, sehr wenige Afghanen abgeschoben, und das waren entweder Straftäter oder DublinFälle, bei denen wir als Land keine Wahl haben. Ein formaler Abschiebestopp wäre jetzt das völlig falsche Signal. Denn es würde der Eindruck erweckt, dass jeder Afghane, der nach Deutschland kommt, zukünftig bleiben kann. FRAGE: .ie geht es 0etzt 1eiter2 PISTORIUS: Die Beurteilungen der Sicherheitslage im Land und seinen einzelnen Regionen müssen laufend aktualisiert werden, nicht auf Zuruf. Nur dann kann man den Einzelfällen gerecht werden. FRAGE: Ist es $icht i$huma$ u$d u$si$$ig( &este$s i$tegrierte 5amilie$ auszu1eise$2 PISTORIUS: Die Praxis ist nicht stimmig. Wir haben noch immer keine Möglichkeit dafür geschaffen, dass Menschen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt sind, sich aber sehr schnell sehr gut integriert haben, hierbleiben können. Es gibt keine Chance, etwa einen Zuwanderungsantrag zu stellen, wenn man als Asylbewerber abgelehnt worden ist.