Tränenreiches Liebesunglück in der Wesermarsch
„Warflether Liederpfingsten“mit Bariton Benjamin Appl und Pianist James Baillieu
5ESERMARSCH/WARFLETH – Heißer Tipp für Troubadix, den gallischen Barden, der bei Asterix und Obelix so gemein am Singen gehindert wird: Suche mal in der Wesermarsch um Asyl nach! Dort darfst du in der Konzertkirche in Warfleth ungehemmt deiner Kunst frönen. Aber du musst in Bestform antreten. Denn in St. Marien in der Gemeinde Berne setzt das Festival „Warflether Liederpfingsten“schon bei seiner zweiten Auflage höchste Maßstäbe.
Der beharrliche und umtriebige Organisator Reinhard Rakow braut dort wie Miraculix offenbar Zaubermischungen. Wie sonst holt er immer wieder Musiker von internationalem Rang in das abgelegene Kirchlein am Weserdeich? Den höchst angesagten Bariton Benjamin Appl und den nicht minder renommierten Pianisten James Baillieu hatte er diesmal für die beiden Feiertage verpflichtet.
Das Programm fordert die Künstler und die eingeschworene Zuhörerschar gleichermaßen, doch Intensität und Spannung sinken nie ab: Lieder nach Texten von Heinrich Heine am ersten Tag, von Franz Schubert („Schwanengesang”) von Felix und Fanny Mendelssohn, Anton Rubinstein, Robert Schumann („Dichterliebe”). Am zweiten Tag neben viel Schubert auch Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte” und für die beiden Interpreten von Nico Muhly vertonte Texte aus Feldpostbriefen.
Wenn Edvard Grieg, Mendelssohn oder Rubinstein den wortgleichen „Gruß” entbieten, dann offenbaren sich in diesem „Leise zieht durch mein Gemüt“fast plakativ die vielen Nuancen von Appl/ Baillieu. Es sind Feinheiten, die auch jedes gehauchte Pianissimo oder herausschnellende Forte abgestuft anders klingen lassen – fahl unheimlich wie bei Schumanns „Belsazar ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht”, den Atem abschnürend wie bei Schuberts „Und zeigt mir jene Stelle, wo ich das Liebste verlor“.
Nie rutschen die tränenreichen Liebesunglücke der Romantik zu Schmachtfetzen ab. Der in Regensburg aufgewachsene und in London lebende Sänger verbindet auf eigene Weise eine mitreißende Frische mit kontrollierter Naivität. Er gestaltet intensiv am Wort.
Tiefgründigkeit wirkt bei ihm nicht entliehen, sondern authentisch. Baillieu erweist sich als Begleiter, der anspornend und entschieden mitgestaltet, sich aber nie vordrängt und der in den Nachspielen bei Schumann die Gefühle wundervoll zum Nachschwingen bringt. Schonung erlegen sich beide nicht auf.