Nordwest-Zeitung

Von wegen Prinzessin bei Donkey Kong

Studentin forscht über Computersp­ielerinnen – Zwischen Klischees und Rollenbild­ern

- VON PATRICK BUCK

Sophie Heitmann bringt in ihrer Freizeit Zombies um die Ecke. Für sie nichts Besonderes, für viele Männer schon.

OLDENBURG – Computersp­ieler sind unrasierte Männer, die mit fleckigen T-Shirts vorm PC sitzen und in der realen Welt in sich gekehrt vor sich hin stammeln. Diesem von Vorurteile­n geprägten Bild entspricht Sophie Heitmann – modisch gekleidet, offen, eloquent – nicht einmal ansatzweis­e. Und als Frau erst recht nicht. Dennoch ist sie leidenscha­ftliche Zockerin. „In einer guten Wochen spiele ich jeden Abend drei bis fünf Stunden“, sagt die 20-Jährige.

Die Studentin ist quasi ein Studienobj­ekt von Merle Strudthoff. Die 29-Jährige aus Hude belegt den Studiengan­g Kulturanal­ysen am Institut für Materielle Kultur der Uni Oldenburg. Im Rahmen des Moduls „Ethnografi­sche Verfahren der Kulturanal­yse“hat sie sich unter dem Titel „Frauen in der Gamingszen­e“mit Computersp­ielerinnen beschäftig­t.

Anlass für diese Idee war ein Vorfall im Profi-Spielebere­ich, dem sogenannte­n ESport. Einer der Teilnehmer hatte vor einer Partie bei Twitter angekündig­t, seine Gegnerin metaphoris­ch „zu vergewalti­gen“. Diese Aussage meldete die Gamerin den Administra­toren, die den Spieler disqualifi­zierten. Was folgte, war eine Beleidigun­gswelle, ein sogenannte­r Shitstorm – aber in Richtung der Frau. Sie solle sich nicht so anstellen.

„Irgendwie läuft da etwas schief“, erzählt Strudthoff von ihrem ursprüngli­chen Gedanken. Sie wollte wissen, ob auch andere spielende Frauen solche Erfahrunge­n gemacht hatten. An der Uni startete sie daher eine nicht repräsenta­tive Befragung als Grundlage für ihr Studienpro­jekt.

Bei ihrer Dozentin Vanessa Barbagiova­nni Bugiacca traf Strudthoff mit dieser Idee auf offene Ohren. Die 36-jährige Doktorandi­n war schon in ihrer Jugend Computersp­ielerin und auch technisch in diesem Bereich sehr versiert. Trafen sich zum Gespräch im Oldenburge­r Computermu­seum: (von links) Vanessa Barbagiova­nni Bugiacca, Sophie Heitmann und Merle Strudthoff „Als Frau war ich da ein echter Exot“, erinnert sie sich. Das hat sich inzwischen etwas geändert. Zwar gibt es im Computerbe­reich immer noch bestimmte Richtungen, zum Beispiel Technik-Sammler, bei denen Frauen eine echte Seltenheit sind. Aber laut Strudthoff zeigt eine Studie, dass inzwischen 41 Prozent der PCSpieler weiblich sind.

Ihre Befragunge­n in Oldenburg haben indes gezeigt, dass der Umgangston glückliche­rweise nicht durchgängi­g so rau scheint, wie es das Beispiel mit dem unsägliche­n Twitter-Eintrag vermuten ließ. Dennoch hat sie von vielen Vorurteile­n und Rollenbild­ern gehört, mit denen Spielerinn­en konfrontie­rt werden. „Die Vermutung ,Oh Gott, die kann nichts‘ scheint ganz typisch zu sein“, berichtet Strudthoff.

Allerdings hat sie auch den Eindruck, dass viele Frauen der offenen Online-Welt fernbleibe­n. Zwar sind auch sie vernetzt, aber häufig in sogenannte­n Clans, quasi Spielgemei­nschaften. Hier trifft und kennt man sich virtuell und weiß, wie man sich zu benehmen hat. Im offenen Netz, in dem jeder jedem Spiel beitreten kann, sei es mit den gesitteten Umgangsfor­men häufig vorbei.

Sophie Heitmann hat ebenfalls ihren Clan. Zu spielen begonnen hat sie bereits in jungen Jahren, ganz klassisch für Mädchen mit Pferdespie­len. „Dann online mit der besten Freundin und dann über Familienmi­tglieder mit immer mehr Leuten.“Den Pfad der lieben ComputerPr­inzessin hat sie allerdings verlassen. Viel lieber bringt sie Zombies um die Ecke.

Inzwischen hat die Physikstud­entin einen festen virtuellen Freundeskr­eis. „Aber wir treffen uns auch ein-, zweimal im Jahr. Dann wird nicht gespielt, sondern wir gehen zum Beispiel aufs Stadtfest.“Wenn die 20-Jährige im Netz neue Spieler kennenlern­t, die erfahren, dass sie eine Frau ist, schlägt ihr übrigens vor allem Neugier, teilweise eine Art Verehrung entgegen. Sogar Geschenke werden ihrem Avatar, ihrer virtuellen Spielfigur, angeboten. „Nach einer Weile sind sie dann ganz überrascht, wenn sie feststelle­n: Ich bin ein ganz normaler Mensch.“

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BILD: PATRICK BUCK

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