Von wegen Prinzessin bei Donkey Kong
Studentin forscht über Computerspielerinnen – Zwischen Klischees und Rollenbildern
Sophie Heitmann bringt in ihrer Freizeit Zombies um die Ecke. Für sie nichts Besonderes, für viele Männer schon.
OLDENBURG – Computerspieler sind unrasierte Männer, die mit fleckigen T-Shirts vorm PC sitzen und in der realen Welt in sich gekehrt vor sich hin stammeln. Diesem von Vorurteilen geprägten Bild entspricht Sophie Heitmann – modisch gekleidet, offen, eloquent – nicht einmal ansatzweise. Und als Frau erst recht nicht. Dennoch ist sie leidenschaftliche Zockerin. „In einer guten Wochen spiele ich jeden Abend drei bis fünf Stunden“, sagt die 20-Jährige.
Die Studentin ist quasi ein Studienobjekt von Merle Strudthoff. Die 29-Jährige aus Hude belegt den Studiengang Kulturanalysen am Institut für Materielle Kultur der Uni Oldenburg. Im Rahmen des Moduls „Ethnografische Verfahren der Kulturanalyse“hat sie sich unter dem Titel „Frauen in der Gamingszene“mit Computerspielerinnen beschäftigt.
Anlass für diese Idee war ein Vorfall im Profi-Spielebereich, dem sogenannten ESport. Einer der Teilnehmer hatte vor einer Partie bei Twitter angekündigt, seine Gegnerin metaphorisch „zu vergewaltigen“. Diese Aussage meldete die Gamerin den Administratoren, die den Spieler disqualifizierten. Was folgte, war eine Beleidigungswelle, ein sogenannter Shitstorm – aber in Richtung der Frau. Sie solle sich nicht so anstellen.
„Irgendwie läuft da etwas schief“, erzählt Strudthoff von ihrem ursprünglichen Gedanken. Sie wollte wissen, ob auch andere spielende Frauen solche Erfahrungen gemacht hatten. An der Uni startete sie daher eine nicht repräsentative Befragung als Grundlage für ihr Studienprojekt.
Bei ihrer Dozentin Vanessa Barbagiovanni Bugiacca traf Strudthoff mit dieser Idee auf offene Ohren. Die 36-jährige Doktorandin war schon in ihrer Jugend Computerspielerin und auch technisch in diesem Bereich sehr versiert. Trafen sich zum Gespräch im Oldenburger Computermuseum: (von links) Vanessa Barbagiovanni Bugiacca, Sophie Heitmann und Merle Strudthoff „Als Frau war ich da ein echter Exot“, erinnert sie sich. Das hat sich inzwischen etwas geändert. Zwar gibt es im Computerbereich immer noch bestimmte Richtungen, zum Beispiel Technik-Sammler, bei denen Frauen eine echte Seltenheit sind. Aber laut Strudthoff zeigt eine Studie, dass inzwischen 41 Prozent der PCSpieler weiblich sind.
Ihre Befragungen in Oldenburg haben indes gezeigt, dass der Umgangston glücklicherweise nicht durchgängig so rau scheint, wie es das Beispiel mit dem unsäglichen Twitter-Eintrag vermuten ließ. Dennoch hat sie von vielen Vorurteilen und Rollenbildern gehört, mit denen Spielerinnen konfrontiert werden. „Die Vermutung ,Oh Gott, die kann nichts‘ scheint ganz typisch zu sein“, berichtet Strudthoff.
Allerdings hat sie auch den Eindruck, dass viele Frauen der offenen Online-Welt fernbleiben. Zwar sind auch sie vernetzt, aber häufig in sogenannten Clans, quasi Spielgemeinschaften. Hier trifft und kennt man sich virtuell und weiß, wie man sich zu benehmen hat. Im offenen Netz, in dem jeder jedem Spiel beitreten kann, sei es mit den gesitteten Umgangsformen häufig vorbei.
Sophie Heitmann hat ebenfalls ihren Clan. Zu spielen begonnen hat sie bereits in jungen Jahren, ganz klassisch für Mädchen mit Pferdespielen. „Dann online mit der besten Freundin und dann über Familienmitglieder mit immer mehr Leuten.“Den Pfad der lieben ComputerPrinzessin hat sie allerdings verlassen. Viel lieber bringt sie Zombies um die Ecke.
Inzwischen hat die Physikstudentin einen festen virtuellen Freundeskreis. „Aber wir treffen uns auch ein-, zweimal im Jahr. Dann wird nicht gespielt, sondern wir gehen zum Beispiel aufs Stadtfest.“Wenn die 20-Jährige im Netz neue Spieler kennenlernt, die erfahren, dass sie eine Frau ist, schlägt ihr übrigens vor allem Neugier, teilweise eine Art Verehrung entgegen. Sogar Geschenke werden ihrem Avatar, ihrer virtuellen Spielfigur, angeboten. „Nach einer Weile sind sie dann ganz überrascht, wenn sie feststellen: Ich bin ein ganz normaler Mensch.“