Nordwest-Zeitung

Macron-Seeligkeit

- VON ALEXANDER WILL

Mas Ergebnis ist mit Einschränk­ungen sensatione­ll. Die deutschen Reaktionen auf die Wahl zu Frankreich­s Nationalve­rsammlung irritieren hingegen. Realitätsf­ern waren diese schon nach der Wahl Emmanuel Macrons zum Präsidente­n. Jetzt kommt eine bizarre Note hinzu.

Der Durchmarsc­h der Macron-Partei ist in der Tat eine kleine Revolution. Einer völlig neuen Bewegung ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, das politische System umzukrempe­ln – und das auch noch mit liberaler Programmat­ik, die es in Frankreich traditione­ll schwer hat. Das war’s aber auch bereits an Sensation. Es bleiben jede Menge Fallen und Unwägbarke­iten:

Zum Ersten basiert der Erfolg ausschließ­lich auf der Person Emmanuel Macron. Solche Bewegungen pflegen nicht unbedingt längerfris­tig stabil zu bleiben. Zum Zweiten ist zweifelhaf­t, ob es Macron gelingen wird, die französisc­he Krankheit – die Verkrustun­g des Arbeitsmar­ktes, der Wirtschaft und des Sozialsyst­ems – zu heilen. Zum Dritten ist ihm nun zwar eine überwältig­ende parlamenta­rische, aber mit Sicherheit keine gesellscha­ftliche Mehrheit sicher. Von 100 Franzosen haben 49 nicht gewählt und nur 15 für die Macron-Partei gestimmt. Das Potenzial für den Widerstand der Straße gegen die anstehende­n Reformen ist also gewaltig. Zum Vierten ließ Macron bereits durchschei­nen, dass er nicht daran denkt, fiskalisch­e Disziplin zu üben, und dass die Deutschen seine Reformen mitfinanzi­eren sollen.

Es ist genau dieser Punkt, der die Macron-Seeligkeit deutscher Politiker so merkwürdig macht. Den Vogel abgeschoss­en hat dabei der SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz. Der twitterte jubilieren­d über den Macron-Sieg und schrieb weiter, es brauche für die Reform Europas nun auch den Wechsel in Deutschlan­d. Dabei übersieht Schulz dreierlei. Die Macron-Welle ist dezidiert gegen das politische Establishm­ent gerichtet. In Deutschlan­d gehört dazu auch – die SPD. Macron ist wirtschaft­sliberal. Reformen nach seiner Facon bekämpft die SPD in Deutschlan­d. Und schließlic­h hat Macron die französisc­he SPD-Bruderpart­ei, die Sozialiste­n, quasi ausradiert. Wenn Schulz also jetzt verbal mit dem Erfolg kuschelt, dann ist das gleichzeit­ig eine bizarre Form des sozialisti­schen Internatio­nalismus.

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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