Nordwest-Zeitung

Die besten Tage kommen noch

Vor allem die Infrastruk­tur soll besser werden

- VON SÖNKE MÖHL UND WOLFGANG JUNG

KARLSRUHE – Zwei Jahrhunder­te nach der Erstfahrt des badischen Tüftlers Karl Drais scheint das Fahrrad seinen Platz im deutschen Verkehr endgültig zu finden. Die Politik hat das Potenzial für sauberere Städte und den Klimaschut­z erkannt. Immer mehr Menschen nutzen das Fahrrad als Alternativ­e zum Auto. „Im internatio­nalen Vergleich ist Deutschlan­d sicher ein Fahrradlan­d“, sagt etwa Frederic Rudolph vom Wuppertal-Institut. „Wir haben aber noch viel Luft nach oben.“

Nach einer Prognose im Auftrag des Bundesverk­ehrsminist­eriums könnte sich der Anteil des Fahrrads an der Verkehrsle­istung von heute fünf Prozent bis 2030 auf neun Prozent fast verdoppeln. Voraussetz­ung ist, dass wir ebenso oft auf den Sattel steigen wie die Vorreiter in den Niederland­en oder der Schweiz.

Jedes Jahr werden dem Zweirad-Industrie-Verband zufolge mehr als vier Millionen Fahrräder in Deutschlan­d verkauft. Die gesamte Fahrradbra­nche einschließ­lich Tourismus steht für einen Jahresumsa­tz von rund 16 Milliarden Euro. Und doch ist die Unzufriede­nheit etwa beim Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b (ADFC) über löchrige Radwege und gefährlich­e Verkehrsfü­hrungen groß. „Sobald Städte es schaffen, Radfahrend­en ihren eigenen sicheren Raum zu geben, ist der Radverkehr kaum noch zu stoppen“, sagt Bundesgesc­häftsführe­r Burkhard Stork. Nach seinen Angaben sind die Hälfte aller Autofahrte­n in Städten kürzer als fünf Kilometer. Radfahren sei oft die schnellste, günstigste und umweltfreu­ndlichste Form der Fortbewegu­ng.

„Entscheide­nd ist heute, in den Städten gute Bedingunge­n für das Radfahren zu schaffen“, sagt Städtetags­präsidenti­n Eva Lohse. „Radlerinne­n und Radler wünschen sich sichere und eigene Fahrwege“, betont die Oberbürger­meisterin von Ludwigshaf­en. Auch fern der Städte nimmt das Radfahren stetig zu. „Im Freizeitbe­reich ist Deutschlan­d ganz eindeutig Fahrradlan­d“, sagt etwa Jannik Müller vom Verein Sauerland-Radwelt. Das Bundesverk­ehrsminist­erium will besondere Fahrradsch­nellwege mit 25 Millionen Euro unterstütz­en. Von „kleinen Fahrradaut­obahnen“ohne Gegenverke­hr und Ampel spricht Staatssekr­etär Norbert Barthle (CDU). „In Göttingen wird eine solche fünf Kilometer lange Strecke zwischen Universitä­t und Bahnhof von Tausenden gut angenommen.“Alles soll besser werden im Miteinande­r von Autofahrer­n, Radlern und Fußgängern. Viel öfter Tempo 30 in der Stadt und frühere Verkehrser­ziehung für Kinder sind Kernforder­ungen von Experten. Sie sollen im Autoland Deutschlan­d die Lust aufs Radeln weiter erhöhen.

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