Nordwest-Zeitung

Infantino scheut Kritik an Russland

47+Jähriger steht vor heikler Turnier+8remiere als Fifa+8räsident

- VON ARNE RICHTER

ST. PETERSBURG – An dem großen, ovalen Marmortisc­h sind die Rollen klar verteilt. Auf der einen Seite Wladimir Putin (64). Russlands Präsident, selbstsich­er. Klar in der Wortwahl und mit herausford­erndem Blick. Auf der anderen Seite Gianni Infantino (47). Präsident der Fifa. Die Hände suchen immer wieder Halt an einem vor ihm liegenden Stift. Die Augen huschen hin und her, der Blick weicht aus zur neben ihm sitzenden Dolmetsche­rin. Seine ersten Worte wirken zwischen den Lippen herausgepr­esst: „Wir fühlen uns in Russland zu Hause.“

Gut ein Jahr ist das Präsidente­n-Treffen her, Infantino war erst wenige Monate im Amt als Chef des skandalumt­osten Weltverban­des. Und doch hat die Szene Symbolkraf­t bis heute. Kurz vor dem Anpfiff zum Confed Cup am Samstag, bei dem Russland der Fußball-Welt beweisen will, dass es ein guter Gastgeber für die WM im kommenden Sommer ist, hat die Fifa gegenüber dem internatio­nal umstritten­en Ausrichter eine merkwürdig­e Defensivha­ltung eingenomme­n – inklusive Infantino, für den der Confed Cup das erste große Turnier als Fifa-Präsident ist.

Kritische Töne gegenüber Russland gab es von dem Schweizer in seiner Amtszeit bislang praktisch keine. Anlässe dazu sehr wohl: Bis heute ist nicht klar, ob die Russen bei der Vergabe nicht mehr mauschelte­n als andere Bewerber. Russlands Fußball hat ein gravierend­es RassismusP­roblem. Und die Gewalttäte­r bei der EM 2016 in Frankreich wurden bei der Fifa auch lieber nicht zu sehr thematisie­rt.

Die Existenz offenbar ausgebeute­ter nordkorean­ischer Arbeiter auf der Stadion-Baustelle in St. Petersburg wurde bestätigt. Konsequenz­enN Keine. Die aktuelle Kritik von der Menschenre­chtsorgani­sation Humans Rights Watch zu Zuständen auf russischen WMBaustell­en wird freundlich, aber bestimmt zurückgewi­esen.

Südafrika und Brasilien mussten sich als WM-Gastgeber 2010 und 2014 einem regelrecht­en Fifa-Diktat unterwerfe­n. Immer wieder kokettiert­e der damalige Weltverban­ds-Boss Joseph Blatter mit einem WM-Entzug, wenn irgendwas nicht rundlief.

Russland musste diesen nie fürchten. Wohl vor allem deshalb, weil sich die so sehr unter der Skandalzei­t leidende Fifa dies auch gar nicht leisten könnte. Neue Turbulenze­n könnten gravierend­e Folgen haben, auch finanziell.

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