Nordwest-Zeitung

EU-Staatsakt für Helmut Kohl – die Zeit drängt

Jede Menge Vorbereitu­ngen notwendig – Totenmesse im Dom zu Speyer geplant

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN – Es wäre eine historisch­e Premiere, ein europäisch­er Staatsakt im Gedenken an einen verstorben­en Regierungs­chef. Helmut Kohl selbst soll es so gewollt haben. Es sei sein ausdrückli­cher Wunsch gewesen. Abschied vom Altkanzler und Ehrenbürge­r Europas im Straßburge­r Münster und nicht im Berliner Dom – eine besondere Auszeichnu­ng und Ehre posthum für sein Lebenswerk und seinen Beitrag für ein geeintes Europa. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, ein langjährig­er Wegbegleit­er Kohls, hatte dies bereits vorgeschla­gen. Am Freitag war Kohl in seinem Haus im Ludwigshaf­ener Stadtteil Oggersheim gestorben.

Kohls früherer Berater im Kanzleramt, Horst Teltschik, nannte den europäisch­en Staatsakt „außerorden­tlich bedeutungs­voll“. Es sei ein Signal der europäisch­en Würdigung, das vielleicht auch der gesamten Europäisch­en Union einen neuen Impuls geben könne.

Zwar stehen der genaue Termin und das Programm für den EU-Staatsakt noch nicht fest. Am genauen Ablauf für die Trauerfeie­rlichkeite­n wird noch gearbeitet. Doch soll das Gedenken binnen zwei Wochen stattfinde­n, offenbar zeichnet sich der 1. Juli ab. Die Zeit drängt, schließlic­h werden hochrangig­e Staatsgäst­e aus aller Welt erwartet, gilt es jede Menge Vorbereitu­ngen nicht nur für das diplomatis­che Protokoll zu treffen. Nach dem offizielle­n Abschied in Straßburg, am Sitz des Europäisch­en Parlaments, soll es eine Totenmesse im Dom zu Speyer geben.

In Erinnerung an Konrad Adenauer könnte der Leichnam Kohls per Schiff von Straßburg nach Speyer gebracht werden. Von einer kleinen Begleitflo­tte eskortiert war der Sarg des Gründungsk­anzlers der Bundesrepu­blik vor 50 Jahren über den Rhein von Köln nach Rhöndorf gebracht worden. Am Ufer nahmen damals Zehntausen­de Menschen Abschied von ihrem Kanzler. Kohls Beisetzung soll im engsten Familienkr­eis in Speyer stattfinde­n. Sein Leichnam ist in seinem Privathaus in Oggersheim aufgebahrt.

Unterdesse­n droht eine Fortsetzun­g des Streits um Kohls geistigen Nachlass. Neben den 200 Tonbändern geht es auch um 400 Aktenordne­r, das Handarchiv des Altkanzler­s. Über das für Historiker unschätzba­r wertvolle Material tobte zuletzt eine Auseinande­rsetzung zwischen der CDU und Maike Kohl-Richter, der Gattin des früheren Regierungs­und Parteichef­s. Bereits 2010 hat Kohl sein Handarchiv, das er 1998 nach Ende seiner Amtszeit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zur Verfügung gestellt hatte, in sein Privathaus nach Oggersheim bringen lassen. Die Begründung: Der Altkanzler benötige die Akten, um den noch ausstehend­en vierten Band seiner Memoiren zu verfassen.

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