Harte Briten beginnen sehr nett
Brexit-Verhandlungen in Brüssel gestartet – Vorerst kein „großzügiges Angebot“
Monatelang sprach man in London und Brüssel übereinander und heizte die Stimmung vor den Verhandlungen über den britischen EU-Austritt an. Doch deren Auftakt in Brüssel überrascht.
BRÜSSEL – Die Kontrahenten gaben sich freundlich, als sie an diesem historischen Tag in Brüssel zusammentrafen. David Davis, Londons Minister für den Ausstieg aus der EU, stellte sogar fest: „Uns verbindet mehr als uns trennt.“
Der britische Außenminister Boris Johnson, der die Brexit-Kampagne vor einem Jahr als Befürworter angeführt hatte, ließ aus Luxemburg ausrichten: „Ich denke, der Prozess wird ein glückliches Ende finden und er kann so gestaltet werden, dass er für beide Seiten profitabel und würdevoll ist.“Deutlich nüchterner klang dagegen Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU: „Zuerst müssen wir die Unsicherheiten angehen, die der Brexit verursacht.“
Dann gab es noch sinnige Geschenke: Ein Buch über Bergsteigen für den begeisterten Wanderer Barnier. Der revanchierte sich mit einem Wanderstock für Davis – offenbar eine Anspielung auf den steinigen Weg, der vor den beiden liegt. Danach war Schluss mit lustig.
Montag, 19. Juni 2017, elf Uhr: Es ist ein Datum für die Geschichtsbücher. Am Montag begannen die Verhandlungen über den ersten Ausstieg eines Landes aus der EU. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Referendum auf der Insel.
Es ging um organisatorische Details: Einmal im Monat sollen die Delegationen zusammenkommen, um die drei großen Themenbereiche parallel zu besprechen. Dazwischen werde man „Vorschläge ausarbeiten und austauschen“. Die stille Hoffnung der EU, die 18-köpfige Delegation aus dem Vereinigten
Königreich werde bereits am Anfang ein „großzügiges Angebot“zur Regelung des Aufenthaltsrechtes für EU-Bürger in Großbritannien und Briten in der EU mitbringen, erfüllte sich nicht. Allerdings signalisierte Davis, dass man „alles“tun werde, um den Menschen aus der EU auf der Insel und umgekehrt „möglichst schnell Sicherheit zu geben“. Premierministerin Theresa May
werde beim EU-Gipfel am Donnerstag einen Vorschlag machen.
Obwohl nach Angaben Barniers nur 15 Monate bleiben, um dieses und mindestens zwei weitere Themen wie die Grenze zwischen Irland und Nordirland (das Thema nahm nach Angaben von Davis am ersten Tag „den breitesten Raum ein“) sowie die Schlussrechnung für britische Zahlungen
zu vereinbaren. Die übrige Zeit bis zum Inkrafttreten des Brexits Ende März 2019 wird nötig sein, um dem Europäischen Parlament und den nationalen Abgeordnetenkammern den ausgehandelten Vertrag zur Ratifizierung vorzulegen. Es gilt die „Paket-Lösung“. Entweder die Vereinbarungen werde als Ganzes angenommen – oder aber vollständig abgelehnt. Ausnahmen sind nicht vorgesehen.
„Man darf diesen Zustand, der im Moment herrscht, nicht ewig in die Länge ziehen, sondern der Brexit muss abgewickelt werden“, äußerte sich am Montag Österreichs Außenminister Sebastian Kurz.
In Berlin erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr liege vor allem daran, dass die 27 verbleibenden EU-Mitgliedstaaten auf der Basis der
gemeinsamen Leitlinien „einheitlich vorgehen und wir sehr aufmerksam auf die Wünsche und Vorstellungen Großbritanniens horchen“.
Auch wenn es also künftig noch deutlich härter zugehen wird als am ersten Tag, begannen die Verhandlungen unverkennbar mit einem britischen Zugeständnis. Ursprünglich hatte Premierministerin Theresa May nämlich über die drei großen Scheidungsthemen und parallel über ein neues Freihandelsabkommen reden wollen.
Die europäische Seite lehnte dies jedoch ab. Am Montag in Brüssel wurde dann schnell klar: Es bleibt bei dem europäischen Fahrplan. Erst wird die Trennung vollzogen. Dann kann man die künftigen Wirtschaftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich regeln.
„Zuerst müssen wir die Unsicherheiten angehen, die der Brexit erursacht“MICHEL BARNIER