Nordwest-Zeitung

Was ist eigentlich ein harter Brexit?

0arum Großbritan­nien nicht einfach seine Mitgliedsc­haft kündigen kann

- VON DETLEF DREWES

BRÜSSEL – Mehr als ein Jahr nach der Entscheidu­ng der Briten, die EU zu verlassen, beginnen an diesem Montag die Verhandlun­gen über einen Austritt aus der Union. Steht am Ende ein „harter“Brexit oder ein „weicher“?

Wie laufen die Verhandlun­gen konkret ab

Zunächst trafen sich die britische und die europäisch­e Delegation­en am Montag von 11 bis 18 Uhr in Brüssel. Man spricht Englisch, Übersetzer stehen aber bereit. Es standen Grundsatzf­ragen wie die Tagesordnu­ng an. Danach wird auf der Ebene von Fachbeamte­n weiter verhandelt – möglicherw­eise auch parallel zu verschiede­nen Themen. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker will mindestens einmal im Monat über den Stand der BrexitVerh­andlungen informiert werden.

Kann Großbritan­nien nicht einfach kündigen

Nein. Denn das Land hat nicht nur finanziell­e Verpflicht­ungen übernommen. Es müssen 21 000 Gesetze besprochen und entwirrt werden. Dabei geht es um zentrale Themen – zum Beispiel um die Frage, ob die rund 3,5 Millionen Bürger aus EU-Staaten, die jetzt schon im Vereinigte­n Königreich leben, weiter ein Aufenthalt­srecht haben. Gleiches gilt für mehr als 1,2 Millionen Briten, die in den 27 EU-Staaten leben.

Was bedeutet „weicher“oder „harter“Brexit

Vereinfach­t gesagt geht es um Kompromiss oder Bruch. Bei einem weichen Brexit würden beide Partner aufeinande­r zugehen. Großbritan­nien könnte einen Großteil der EU-Gesetze bestehen lassen und europäisch­e Standards im Grundsatz beibehalte­n. Auch der Zugang zum Binnenmark­t bliebe offen – was für London undenkbar ist. Denn dann müsste man auch die Personenfr­eizügigkei­t akzeptiere­n. Bei einem „harten“Brexit würde London praktisch alles kündigen, was von Europa je übernommen wurde. Dies dürfte zu großen Problemen bei Im- und Export führen, Zölle werden wieder eingeführt. Es gibt vieles, was auch Bürger betrifft, etwa ob EUPassagie­rrechte künftig für britische Airlines gelten.

Was wäre schlimm daran, wenn es keinen Deal gibt

Kein Deal heißt offener Bruch. In diesem Fall müsste London seine Beziehunge­n zur EU völlig neu aushandeln. Premiermin­isterin Theresa May könnte damit erreichen, dass sie nicht mehr gegen die Union anrennen muss, sondern mit jedem Mitgliedst­aat einzeln politische und wirtschaft­liche Abkommen auskungelt – was wohl Jahre dauern würde.

Um welche Themen geht es überhaupt

Neben dem Aufenthalt­srecht muss geklärt werden, welche Verpflicht­ungen London für die laufende Finanzperi­ode bis 2020 eingegange­n ist. Dazu zählen Förderprog­ramme, aber auch Pensionen für EUBeschäft­igte. Denn im Budget der Gemeinscha­ft sind die Beiträge Londons enthalten. Ein drittes Thema ist die Grenze zwischen dem EUMitglied Irland und dem britischen Nordirland. Sie würde zur Außengrenz­e der EU, was zu einer Spaltung des Landes führen würde. Aus politische­n Gründen wollen beide Seiten dies verhindern.

Verlassen britische Abgeordnet­e das Parlament

Die Parlamenta­rier üben ihr Mandat im Namen aller EUBürger aus. Deshalb sollen sie – ebenso wie der britische Kommissar – bis zum Ende der Legislatur­periode bleiben. Nach der Europawahl 2019 wird sich das Parlament dann allerdings verändern. Denn die Zahl der Sitze ist auf 751 festgelegt. Diese werden unter den 27 Mitgliedst­aaten neu aufgeteilt.

Wer muss einem BrexitAbko­mmen zustimmen

Zunächst ist das Europäisch­e Parlament zuständig. Im Anschluss daran wird die Vereinbaru­ng allen Volksvertr­etungen der Mitgliedst­aaten vorgelegt. Im Kreis der Staatsund Regierungs­chefs ist eine qualifizie­rte Mehrheit von 20 Ländern notwendig, die 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g repräsenti­eren.

Ist das alles innerhalb der Frist zu schaffen?

Damit rechnet niemand. Alle Beteiligte­n könnten aber einstimmig beschließe­n, die Verhandlun­gsfrist (29. März 2019) hinauszusc­hieben.

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